Während ich mich heute Morgen noch über Infografiken hätte aufregen können, ist es im Laufe des Tages ruhiger geworden. Ich denke intensiv auf einem Thema nach. Ich überlege, in wie sehr die „schnellen“ Medien zur Verrohung meines Gedankengutes beiträgt. Ja ich bin mir bewusst, dass ich eine wenig charmante Gangart anlege. Ich halte deswegen umso wichtiger, sich Raum und Zeit zur Reflektion zu schaffen.
Die Frage ist: Wie weit kann man gehen? Die zur Schau Stellung von öffentlichen Personen gehört zur Gesellschaft dazu. Je prominenter, desto tiefer wird gewühlt. Mit dem Internet kommt nun ein Mittelstand an potentiellen Dschungelcamp-Teilnehmern. Ich meine Menschen, die aus dem Nichts zur Leitfigur eines Mikrokosmosses geworden sind. Manch einer wird abwinken, denn so was gibt es nicht. Was passiert jedoch, wenn auf einem Otto-Normal-Bürger ein Shitstorm nieder prasselt. Wenn eine Thessa auf einmal Geburtstag feiert.
Die Extrembeispiele kennt jeder. Was weniger Leute sehen ist, wenn das in dieser Grauzone zwischen Publikum und Bedeutungslosigkeit geschieht. Wo führt es hin, wenn selbst Unternehmen sich in ihrer Redaktion über Mitmenschen lustig machen. Ich meine nicht ein Angebot zu kritisieren oder fachliche Mängel aufzuzeigen. Was ist, wenn „gute Menschen“ von der Mehrheit klein gehalten werden, weil es nicht trendy ist?
Die Probleme sind nicht neu. Aber ich glaube schon, dass sie allein durch die größeren Netzwerke im Umfeld, das Gefühl verstärken. Spätestens wenn mich der 10. am Tag auf ein Thema anspricht, kann und will ich es nicht mehr hören. Früher waren das 2-3 Leute in der Stadt, die man irgendwo auf der Straße getroffen hat. Klatsch und Tratsch. Der Unterschied zu heute ist, dass man auf der Straße gesprochen hat und das Gespräch war weg. Wenn sich die Menschen über diesen Blogpost an der Tankstelle, am Bratwurststand oder beim Häufchen machen auf der Bahnhofstoilette unterhalten, wird es mich nicht erreichen. Im Internet ist das anders.
Es ist unbestritten, dass ich auch gern mal größere Geschütze auffahre. Keine Frage. Ich kann sicher auch gut zur Sache gehen. Dennoch möchte ich einige Fragen mit ins Wochenende geben, weil sie mich auch beschäftigen. Unabhängig vom Ergebnis, ist es wichtig, hin und wieder das Hirn einzuschalten – nicht nur bei Infografiken 😉
Wie oft treibt man das Spiel eigentlich selbst? Wann habe ich mich das letzte Mal auf die Seite der Minderheit geschlagen? Wie wichtig ist es, dem vermeidlichen Opfer beiseite zu stehen? Wie oft denkt man über solche Sachverhalte nach? Ist es meine Aufgabe, zu einem besseren miteinander beizutragen? Wie lange ist es Spaß, ab wann wird es Blasphemie?
Schönes Wochenende.
Das Internet ist halt manchmal doch wie RTL2. Ich kann anonym zuschauen und niederen Instinkten nachgehen. It happens every day.
Die Frage ist doch eigentlich wie viel man Austeilen kann sondern wie viel man Verträgt.
Ich habe mir in den letzten Tagen viele Gedanken darüber gemacht was kann ich sagen und zu was kann ich stehen und zu was nicht. Dabei habe ich festgestellt, dass es in der Welt der Sozialen Netzwerke nicht mehr die private Antwort ist vor der man Angst haben sollte oder die man nicht vertragen kann. Sondern das der Druck darüber nachzudenken was man schreibt eher aus der Richtung Arbeit / Arbeitgeber / Kunden kommt.
Ich bin der Meinung das man ohne zu beleidigen oder zu diffamieren jederzeit seine Meinung sagen sollte, dann aber auch zu dieser stehen sollte und vor allem dahinter stehen sollte und bei einem Irrtum dann auch die Eier zu haben sich zu entschuldigen.
G Martin aka Phoenyx
Starker Tobak, lässt mich sehr nachdenklich zurück
Das Problem mit der Reflektion im Internet ist doch, dass „Echtzeit“ und „Zeit zum Nachdenken“ sich für die meisten antiproportional verhalten. Je schneller die Informationen die ich verarbeiten soll auf mich einprasseln, umso weniger Zeit habe ich, sie letztlich zu verarbeiten. Also fische ich nur den Schaum von der Oberfläche. Deswegen fällt ein Großteil auch auf die ganzen Schaumschläger rein. Ich weiß, diese Analogie ist sehr bildhaft und übertrieben, enthält aber leider viel Wahrheit.
Ich diskutiere gerade hier mit einigen Professoren diverse Möglichkeiten meine Master-Thesis im Zusammenhang mit dem Themenkomplex Internet und Kommunikationsverhalten zu verfassen. Eine Kernaussage, die immer wieder aufkommt ist „Das Internet macht uns doch alle zu Überschriften-Lesern“. Auf eine Frage, wie oft Klassenkameraden Artikel im Internet mal eingehender lesen, als nur Überschriften und Zwischenüberschriften zu überfliegen kam eine verheerende Antwort: eigentlich fast dauernd.
Ein weiteres populäres Missverständnis sehe ich darin, dass einige Leute zu glauben scheinen, die Nutzung von Social Media allein mache sie schon sozial. Weil sie ja ein soziales Tool nutzen. Halte ich für den größten Blödsinn überhaupt. Social Media ist ein Vehikel zu mehr sozialer Interaktion (zwischenmenschlich) innerhalb eines technischen Raums (Internet). Bei korrekter Nutzung kommt da eventuell was soziales bei raus. Korrekte Nutzung sehe ich nur leider selten. Denn die prozessoptimierte, nach Statistiken und messbaren Werten geifernde Businesswelt misst nicht den Effekt einzelner Interkationen. Da zählen nur Zahlen wie Anzahl Twitterfollower, Facebook-Fans, LinkedIn-/XING-Kontakte, Likes, etc.
Wenn du mal Zeit und Lust hast, schau dir mal „Change by Design“ von Tim Brown an. Schönes Buch darüber, wie wir uns kontinuierlich von human-centered weg bewegen, und Innovation so nur noch inkrementell wird (höher, schneller, weiter) statt disruptiv.
So, und bevor ich den Kommentar noch in einen eigenständigen Blogpost ausarten lasse (vielleicht sollte ich einfach mal meinen Blog wiederbeleben…), mache ich hiermit Schluss.
Ein klein wenig Situationskomik…
Ein Bekannter hat mir eben den Link zu diesem Artikel geschickt – kreuz[dot]net/article.13504.html (das [dot] in der URL ersetzen, die bekommen kein Backlink von mir) – und war mir ehrlich nicht ganz sicher ob ich lachen oder weinen soll… und dann kamst Du mit Deiner rhetorischen Betrachtung darüber was man wohl im Web so sagen darf und was nicht.
Naja, es hat mich zumindest ein paar Minuten amüsiert.
Das Netz und Social Media, wenn man es (teil-)beruflich nutzt, stellt einen vor die Wahl sich entweder die Identität zu kreieren, die man gerne darstellen würde, oder sich so zu präsentieren wie man wirklich ist… auch wenn man damit mehr aneckt.
Beides hat seine Vor- und Nachteile.
Mit einer gut geplanten und fern der Realität konstruierten Identität erreicht man kurzfristig vielleicht mehr. Aber wehe die Fassade bröckelt, und in vielen Fällen tut sie das irgendwann… Bestes Beispiel: Die mittfünfziger bis mittsechziger „Social Media Marketing Experten“ bestenfalls noch mit ihrem elitären Club. Kein weiterer Kommentar.
Mit einer authentischen Darstellung hat man (speziell ich) öfter das Problem, dass man zu bestimmten Reizthemen einfach die Klappe nicht halten kann und, obwohl man sich schon sehr bedacht ausdrückt, mal wieder aneckt. Das erschwert einem natürlich den Start in der Welt der Follower, Fans, Einkreiser, usw. Dafür kann man aber morgens in den Spiegel sehen ohne sich fragen zu müssen wer da zurück schaut, weil das eine persönlichkeits- und seelenlose Online-Identität ist, gezüchtet um den Gewinn zu maximieren.
Das Stichwort Medienkompetenz ist ja schon gefallen. Und ja, ich habe hart trainiert um mir bei gewissen Themen jedes mal zu überlegen WIE (nicht ob!!!) ich das öffentlich sage um
– meine Meinung verständlich zu kommunizieren
– zu dem was ich da schreibe stehen zu können
– möglichst rechtlich nicht angreifbar zu sein
– nicht den Eindruck zu erwecken da waren die Finger auf der Tastatur schneller als das Hirn
Meistens gelingt mir das auch 😉
Und ganz ehrlich… auf die Leute, die damit auch nicht können verzichte ich gerne. Genau wie auf all die Social-Media-Marketing-Profis mit DER TOTSICHEREN Methode reich zu werden 😛