Wenn man Dinge zum ersten Mal macht, ist die Lernkurve hoch. Meine Lernkurve bei meinem Roadtrip-Debüt war nicht nur hoch, sie war förderlich und bereichernd. Vermutlich wird das jeder sagen, der Gefallen daran gefunden hat im Individualreisen ein Stück diesen Planeten zu erkunden.
Ich sitze im Juni vor dem Rechner und plane meinen jährlichen Trip ins Disneyland Paris, um dort am MagicRun Weekend teilzunehmen. Es ist an der Zeit ein Hotel zu buchen. Ich schaue mich um, vergleiche Lage und Preis und wäge Vor- und Nachteile ab. Am Ende buche ich die gleiche 2-Sterne-Bude wie aus dem Vorjahr, weil Preis/Leistung stimmt. Die Zimmer sind sauber, ich habe eine Dusche und ich habe einen Parkplatz. Während ich meine Buchung tätige, kam mir die Frage, wie weit die Normandie von Paris entfernt ist. Den Wendepunkt des 2. Weltkriegs will ich mir schon länger anschauen. Ein Blick auf Google Maps verrät, es sind nicht ganz 300 km.
Während ich mit dem Gedanken spiele, einen Abstecher in die Normandie zu machen, entdecke ich dabei, dass Le Mont-Saint-Michel in der Nähe ist. Feuer und Flamme sind entzündet. Die Route ist schnell gesetzt, denn von Le Mont-Saint-Michel fällt mir Le Mans auf der Karte sofort auf. Als jemand, der sich unfassbar für Autos begeistern kann, muss die Rennstrecke besucht werden.
Es kommen gleichzeitig Zweifel auf. Denn ich reise allein und ich spreche keine 2 Sätze Französisch. Kummer macht mir aber, dass ich alleine reise. Kann ich das? Geht das? Was kostet das? Kann ich mir das leisten? Die Antwort auf all diese Fragen ist schnell gefunden: scheiß drauf. Als ob ich rationale Entscheidungen treffen würde, das glaube ja nicht mal ich selbst. Eine Woche vor der Abreise buche ich die Reise durch und bin ziemlich aufgeregt, was ich aber erst in Frankreich merken werde.
Abfahrt ins Disneyland Paris
Die 841km bis Paris bzw. Bussy-Saint-Georges (ca 30km vor Paris) sind kein Problem. Ich bin die Strecke schon mehrfach gefahren und nach 3 Jahren infolge stellt sich Routine ein. Auf der Hinfahrt halte ich immer der Raststätte nach der ersten Mautstation in Frankreich an, um ein Eis zu essen.
In diesem Jahr ist es etwas anders, denn entweder hat eine Bremsscheibe (Unwucht) eine Macke oder eine Felge (schon wieder) eine Wuchtgewicht verloren (es sollte sich später rausstellen, dass ich tatsächlich ein Gewicht verloren hatte). Ich merke dies nach 200km und beschließe alles auf die Karte „wird schon gut gehen“ zu setzen. Meine Maximalgeschwindigkeit für die nächsten 2500km sind dann 107km/h, um nicht weitere Bauteile in Mitleidenschaft zu ziehen. Nach 9 Stunden komme ich im Disneyland an. Die Vorfreude ist groß, denn als Disney-Fanboy bekomme ich jedes Mal Gänsehaut, wenn ich dort ankomme. Wer mich näher kennt, wird vermutlich kaum einen Ort finden, wo er mich so euphorisch erleben wird. Ich habe dafür keine Erklärung, aber akzeptiere es inzwischen, dass es so ist. Ich hole mir meine Laufsachen für die Disneyläufe, damit ich Freitag nicht den Huzzle habe und richte mich im Hotel ein.
Mit fremden Leuten im Disneyland
Ich machte die Rechnung ohne meine Mitstreiter. In diesem Jahr ist eine Sache neu: Ich werde nicht alleine im Park sein. Ich treffe mich mit Marco aus Mailand, der gerade nach Paris gezogen ist, mit Mimi aus Los Angeles und Nicky aus Antwerpen. Es sollte ein großartiger Tag werden. Marco sammele ich am Touristenzentrum ein, um ihn durch die Expofläche zu navigieren, während Mimi just in diesem Moment aus den USA gelandet ist. Eine verrückte Mischung von Menschen. Mimi verabschiedete sich irgendwann ins Hotel, der Jetlag machte ihr zu schaffen. Es blieben nur noch Nicky und ich, da Marco sich bereits wegen Arbeit am Mittag verabschiedet hatte. Wir zwei wechselten aus dem Disneyland Park in die Disney Studios. Während wir anfänglich darüber sprechen, ob Ratatouille ein gutes oder schlechtes Fahrgeschäft ist, enden wir bei Hochbegabung, Autismus und wie es ist, wenn man hochsensibel ist. Was aus diesem Gespräch hängengeblieben ist und das werde ich sicherlich so schnell nicht vergessen: dass wir uns zu selten an erster Stelle stellen. Oder wie Nicky so treffend sagte: Priority yourself.
Dieser Tag erinnert mich an den Tag mit Adwaid, dem Fremden Inder, dem ich Paris zeigte. Es ist diese Art von Begegnungen, die man nur macht, wenn man alleine reist. Ich finde gefallen daran und ich es hilft mir sicherlich dabei, offener fremden Menschen gegenüber zu sein. Marco treffe ich nach dem Halbmarathon am Sonntag erneut. Wir laufen zufällig ineinander und verbringen noch 1-2 Stunden auf dem Gelände, bevor er nach Mailand aufbricht um seine letzten Möbel zu holen und ich mich in die Normandie aufmache.
Überraschung!
Ich schleppe mich zum Auto, denn der Halbmarathon war dieses Jahr eine Tortur. Ich habe selten so hart gezweifelt das Ziel zu erreichen. Eigentlich war ich nach 7km schon fertig mit der Welt. Wie ich den Rest ohne Musik erledigte (Kopfhörer erfolgreich mitgewaschen), kann ich nicht genau sagen. Aufgeben war allerdings keine richtige Option. Ich schleppte sich eben so durch. Zeit? Egal (2:23).
Ich setze die Route in die Normandie. Ich hatte mir so viele Hotels angeschaut, das ich die Details meines Trips vergessen hatte. Mein Ziel war Luc-sur-mer, ein 3200 Seelen Örtchen an der Küste des Ärmelkanals. Nach knapp 250 km erreichte ich langsam die Küstenregion der Normandie. Die Landschaft ist wirklich schön und die Häuser – die Häuser sind sehenswert. Plötzlich war ich völlig aus dem Häuschen, denn auf einmal sah ich das Meer! Ich hatte vergessen, dass ich ein Hotel mit Meerblick gebucht hatte. Fragt mich bitte nicht, wie man das vergessen kann.
Die Schönheit der Normandie
Die Normandie ist ein sehenswertes Stück Erde. Ich meine damit nicht, dass das Gras in Nachbars Garten grüner ist. Es sind vielmehr diese alten Bauernhäuser, das Ländliche und vermutlich, was man so als klassischer Tourist mit Frankreich verbindet. Ich habe mich schockverliebt. Es fühlt sich ein wenig so an, als hätte hier jemand seit einigen Jahrzehnten die Zeit angehalten. Diese Landstriche haben wir in Deutschland gleichermaßen, wo man Zeitreisen für Touristen anbieten könnte.
Verbindung zur USA
Während ich mit Auto über die Landstraßen fuhr, um Bauernhof nach Bauernhof hinter mir zu lassen, fielen mir die vielen Fahnen auf. Das Epizentrum der Dankbarkeit für die Befreiung von den Nazis. Als Deutscher erstmal ein seltsames Gefühl nicht zu den Guten zu gehören. Als ehemaliger Zeitsoldat habe ich eventuell eine andere Verbindung zum Thema Militär. Ich habe in der Normandie ein Verständnis von der amerikanisch-französischen Freundschaft bekommen, die man sonst vielleicht nur aus den Nachrichten als Randnotiz kennt.
Ich erkunde am Abend noch ein wenig den Ort und mache einen ausgiebigen Sparziergang am Strand. Es hängen überall Plakate mit Portraits gefallener Soldaten. Ich treffe dort ein kleineren Gedenkplatz für einen amerikanischen Kommandeur.
Auf zum Omaha Beach
Am nächsten Morgen verlasse ich Luc-sur-mer Richtung Omaha Beach. Meine Route führt mich in Sichtweite des Ärmelkanals die Küste entlang. Das Navigationssystem schlägt mir alle Nase nach eine neue Route vor, die ich gekonnt ignoriere, denn ich möchte keine Autobahn fahren. Für die 50km brauche ich etwas mehr als eine gute Stunde, denn ich muss zwischendurch anhalten und Möwen filmen.
Am Ohama Beach angekommen, macht sich Ernüchterung breit. Ich hatte mir diesen geschichtsträchtigen Ort irgendwie anders vorgestellt. Pompös wäre das falsche Wort, aber außer einem Denkmal und einem Restaurant erinnert nichts an den großen Wendepunkt des 2. Weltkriegs. Ich sammele mich und frage mich, was ich erwartet habe. Ich denke mir fehlt ein größeres Museum, aber wer weiß, wie viele Menschen hier überhaupt hinreisen. Ich gehe zum Denkmal und betrete den Strand. Ich lasse die Szenerie auf mich wirken. Ich versuche die Ereignisse vor meinem geistigen Auge in Bilder zu fassen, um eine Idee zu bekommen, was hier ab dem 6. Juni 1944 los gewesen sein muss. Es ist mir nicht möglich. Der Irrsinn dieser Idee wird mir später in einem Museum klar.
Ich gehe zurück zum Auto und fahre ein Stück die Straße hoch, um in dem nahegelegenen kleinen Museum weitere Eindrücke zu gewinnen. Ich finde mich irgendwann vor einer 1,5 Tonnen Fliegerbombe wieder, welche dadurch auffällt, dass sie größer ist als ich. Welche unvorstellbaren Ausmaße allein der D-Day gehabt haben, wird mir in einem weiteren Museum klar, an dem ich auf dem Weg vorbeigefahren bin. Ich finde dort etliche Fahrzeuge, welche einem ein kleines Gefühl davon geben, welche Dimensionen die Landung in der Normandie damals hatte.
Die berühmte Nussschale (Higgings Landungsboot) trug 36 Personen, ist 11 Meter lang und es wurden von 20.000 Stück gebaut. Ich lasse alle Eindrücke einfach auf mich wirken, denn die Dimensionen übersteigen meine Vorstellungskraft. Vor dem Museum steht eine 8,8cm Flugabwehrkanone (kurz Flak). Um sich Ausmaße besser klar zu machen, hilft ja visualisieren oft. So stecke ich problemlos meinen Arm in das Geschütz (WTF).
Ich sitze wieder im Auto und lasse alle Eindrücke auf mich wirken. Oh man, was für eine grässliche Zeit war das bitte? Ich bin Ex-Soldat und war dies gern. Die Bundeswehr war gewiss eine Kehrtwende in meinem Leben. Es war einer der ersten Orte, der mir halt gaben. Feste Strukturen, Ordnung und ein Staffelführer, der mir eine zweite Chance offen lies. Die Zeit dort war fordernd, aber persönlich bin ich dort sehr gereift. Keine Eskapaden, keine Polizei, kein Stress. Ich habe die Uniform mit Stolz getragen. Nun sitze ich da in der Normandie, mit den Eindrücken der letzten 3 Stunden. Ich dachte an Deutschland und was in unserem Lande gerade passiert. Es stimmte mich traurig. Demütig stelle ich das Navi ein und nach einem Seufzer geht es Richtung Huisnes-sur-Mer.
Über Stock und Stein
Ich hatte ja schon in Luc-sur-mer vergessen, welches Hotel ich gebucht hatte. In Huisnes-sur-mer sollte eine weitere Überraschung auf mich warten. Der Weg dorthin war abenteuerlich und ich dachte mehrfach, ich hätte mich komplett verfahren. Kurz vor meinem Ziel war ein deutscher Soldatenfriedhof ausgeschildert. Ich überlege gar nicht lange und folgte den Schildern. „Hier ruhen 11887 Soldaten“, steht auf einer Platte am Eingang. Ich gehe auf das Gelände und durchschreite einen Großteil der 34. Krypten, wo je 180 Tote untergebracht sind. Ich werde nach dem Besuch auf Facebook meine Eindrücke schildern: Rund 12000 sind eine Zahl. Aus 12000 Anonymen, werden 180 Krypten, werden 6 Namensschilder auf einer Granitplatte, wird ein Name und aus dem Namen wird ein Bild eines 19-Jährigen. Wenn die Anonymität genommen wird, bekommen diese Ereignisse eine andere Wahrnehmung. Ich fühle eine innere Beklemmung und denke darüber nach, ob diese jungen Männer (kaum einer über 20 Jahre alt) es freiwillig taten, ob man es musste und ob sie es überhaupt verstanden, geschweige denn eine Wahl hatten. Ich schüttele innerlich den Kopf, denn meine größte Sorge vor diesem Roadtrip war, nicht zu wissen, was ich mit meinem Leben anfange. Was für ein Luxusproblem angesichts dieser Schicksale und so verlasse ich mit großer Demut den Friedhof.
Irgendwo im Nirgendwo
Nach Huisnes-sur-Mer sind es nur noch 1,2km. Meine Stimmung schwingt in Verwirrung um, denn was genau hatte ich gebucht?! Ich entsinne mich dunkel, dass ich mir unzählige Bed’n’Breakfast angeschaut hatte. Ein Hotel wird’s in diesem Nest wohl nicht geben. Huisnes-sur-Mer hat laut Wikipedia 196 Einwohner. Tatsächlich war es ein Bed’n’Breakfast „mit Blick auf Le Mont-Saint-Michel“. Das Fenster war zwar klein, aber es hatte diesen Blick auf Kniehöhe. Aber mal im Ernst: die Gastgeberin war wirklich nett, sie sprach kaum englisch und ich kein französisch. Wir haben uns dann über eine Sprach-App unterhalten. Es ging irgendwie, war aber auch kräftezehrend.
Meine Gastgeberin sagte mir, dass im Nachbarort Beauvoir es etwas zu essen gäbe. In der Tat gab es dort Restaurants, welche alle zeitgleich um 19 Uhr öffneten. Diese Information bekam ich, als ich gegen 17:45 Uhr eine warme Mahlzeit suchte. Ich hatte zuvor vergebens versucht zur Le Mont-Saint-Michel zu gelangen. Erst nach meiner Rückkehr in meiner Unterkunft habe ich durch einige Recherchen festgestellt, dass es ohne Nachweis eines Aufenthalts im Ort keine Zufahrt gibt. Le Mont-Saint-Michel selbst ist sozusagen abgeriegelt bis auf den Parkplatz für die Besucher. Ich telefonierte abends noch und fiel fertig ins Bett, bevor ich am nächsten Morgen das französisches Frühstück meiner Gastgeberin genoss.
Lifetime Bucketlist Goal abgehakt
Nachdem der Koffer verstaut war, mache ich mich auf nach Le Mont- Saint-Michel. Ich kann es noch nicht glauben, diesen Punkt meiner Lifetime Bucketlist abhaken zu können. Es ist etwa 9 Uhr als ich den Wagen auf dem Parkplatz abstelle. Es ist noch nicht viel los. Der einsetzende Nieselregen soll mich nicht davon abhalten, die 2,8km vom Parkplatz zu laufen. Ich will dieses einmalige Bauwerk auf mich wirken lassen. Außerdem muss man zumindest einmal dann auch über die Brücke gegangen sein, oder? Ich mache es kurz: Ich habe die Klappe nicht mehr zu bekommen. Hype-Alarm! Le Mont-Saint-Michel ist mindblowing.
Ich überquere die Brücke und stehe nun vor dieser Insel. In meinem Kopf kommen viele Fragen auf. Wie zum Henker, und wieso? Aber wie? Und wie lange hat man wohl gebaut? Nach einem kurzen what the fuck bemerkte ich, dass kleine Gruppen und Schulklassen im Watt unterwegs sind. Ich denke, das wäre eine tolle Idee. Gleichzeitig habe ich den Einwand, außer meiner Kameratasche nichts dabei zu haben. Kein Handtuch. Kein Wasser. Ich ringe kurz mit mir selbst und entsinne mich, dass ich für den Trip das Motto „Do what you can’t“ ausgerufen hatte. Ich tapse also vorsichtig mit dem Schuh aufs Watt. Es ist halbwegs fest. „Was ist das Schlimmste, was passieren kann?“, frage ich mich. Du bekommst einen nassen Hintern? Ok, das muss es einfach wert sein, wer weiß, wann du jemals wieder hier sein wirst. Zur Not können sich deine Follower in den Instagram Stories darüber amüsieren.
Rundgang um Le Mont-Saint-Michel
Es war eine der besten Entscheidungen, die ich auf dieser Reise traf. Ich stakse also um die Wasserstellen durch das Wattenmeer, um nicht gleich nasse Füße zu bekommen. Ich mache endlich wieder Fotos. Fotos, wie ich sie früher machte. Ich positioniere den Sucher, halte kurz die Luft an und drücke den Auslöser. Zu meinem Glück reißen die Wolken auf. Wie bestellt! Ich suche mir weiter meinen Weg durchs Watt. Es war mir eine innere Freude, Genugtuung und etwas Aufregung war auch dabei. Das Besondere in diesem Moment war, uch verbrachte die Zeit dort in der Gegenwart. Ich war glücklich. Glücklich, dies erleben zu dürfen. Glücklich, die Entscheidung getroffen zu haben, um die Insel zu gehen. Da glücklich sein eine Emotion ist, die ich sehr selten empfinde, werde ich wohl für immer eine emotionale Bindung zu dieser Insel haben. Danke, kleine Insel.
Auf Le Mont-Saint-Michel
Um ins Kloster zu kommen, musste ich am Ende meines Rundgangs ein paar Findlinge hochklettern. Da ich nicht mehr bis zum Eingang ich kam. Der Priel war schon zu groß, als das ich ihn trocknem Fuße überqueren hätte können.
Angekommen in der Gemeinde, ist alles auf Touristik ausgelegt. Es ist ja nun auch ein Touristenmagnet. Interessanterweise gibt es Hotels auf der Insel. Ich sage es mal so: Ich kann mir vorstellen in der Zukunft dort 1-2 Nächte zu verbringen. Zum Kloster schlängelt sich eine Gasse hoch. Etwas verschnauft kam ich am Klostereingang an. Soll ich da noch rein? Ich war müde, gestresst und die Mücken – herrje, wie sehr können Mücken nerven!? Der Eintritt ins Kloster kostet 10 Euro und kann vor Ort an der Kasse bezahlt werden. Ich war mir immer noch nicht sicher, ob ich es mir angucken will. 10 Euro. Wofür? Auf der anderen Seite denke ich: Kai, du fährst nicht 1.400km um an 10 Euro zu sparen. Ich zücke also mein Smartphone und buche ein Ticket, um die Warteschlage zu überspringen. Die 10 Euro lohnen sich, denn das Kloster ist ein beeindruckendes Gebäude. Mal von diesem ungewöhnlichen Ort abgesehen, ist es kurzweilig und hat viel Historie. Ich würde euch gern mehr darüber erzählen, aber der Autor dieser Geschichte hat den Audioguide für 3 Euro verpeilt. Ansonsten stehen alle relevanten Informationen im Wikipedia-Eintrag.
Letzte Station: Le Mans
Nachdem Abstieg fahre ich mit dem Pendelbus zurück zum Parkplatz. Während der Fahrt gibt es einen ausgewachsenen Platzregen. Mit dem Wetter habe ich an dem Tag Glück. Es ist um die Mittagszeit und wenn ich mich spute, könnte ich noch meine letzte Station „packen“: Die Rennstrecke von Le Mans. Ich mache mich auf nach Le Mans. Ich fahre direkt zur Rennstrecke und später erst ins Hotel. Den Besuche habe ich eigentlich für den nächsten Tag geplant. Ich merke aber, wie ich langsam nach Hause möchte. Außerdem habe ich so die Chance zu schauen, ob ich die Rennstrecke nicht den nächsten Tag in Ruhe erneut besuchen möchte.
Mythos: 24-Stunden von Le Mans
Ich bin Auto-Enthusiast. Deswegen „muss“ ich einmal in meinem Leben an der Rennstrecke von Le Mans gewesen sein. Zumindest wenn man ohnehin schon in der Nähe ist. Die Kosten für das Museum und den Besuch der Rennstrecke sind mit 8,50 Euro und 3,50 Euro überschaubar. Das Museum findet auf einer Ebene statt und stellt einige historische Exponate aus. Es werden Renn- und Motorsportlegenden geehrt. Ich gehe also an Schaukästen von Ferdinand Porsche, Enzo Ferrari, Ettore Bugatti und anderen großen Persönlichkeiten, wenn es um Le Mans geht. Ich werde als Besucher dann auf eine Zeitreise geschickt. Es ist ein Laufweg markiert, der Kilometer für Kilometer der Strecke nachempfunden ist. Ich habe allerdings irgendwie die Ausschilderung nicht verstanden oder irgendwas übersehen. Zum Glück bin ich zu Fuß unterwegs.
Unter den ausgestellten Exponaten sind auch Modelle, die mir bekannt sind. Der berühmte E-Type, der Audi von Biela. Frank Biela, einer der DTM-Helden der 90er Jahre, wo die Renn-Serie (DTM) wohl ihren Höhepunkt feierte. Wahnsinn. Wie flach die Dinger sind, wenn man davor steht und was alles fürs Gewicht rausgeworfen wird (im Prinzip alles, because Racing – no shit sherlock!).
An der Rennstrecke selbst gehe ich nur in die Dunlop-Kurve nach Start und Ziel. Es fahren Motorräder über die Strecke. Ich kann nicht ausmachen, wer oder was dort trainiert. Touristenfahrten sind jedenfalls nicht so einfach möglich, wie man sie vom Nürburgring kennt. Das hatte ich schon im Vorfeld recherchiert. Laut Plan gibt es noch eine Rundtour, grob um Start und Ziel. Es war mir aber irgendwie nicht erkenntlich, ob ich bei Betrieb dorthin kann oder nicht. Um nicht unangenehm aufzufallen, entscheide ich mich einfach in den Merchandise-Store zu gehen, wo ich allerdings nicht fündig werde. Ich wollte einen Sticker der Strecke habe, den gab es zwar allerdings nicht als Kontur der Strecke. Schade.
Die Innenstadt von Le Mans
Ich verlasse ohne Fanartikel die Rennstrecke und fahre ins Hotel. Ich hatte ein B&B gebucht. 2-Sterne-Butze, in der Regel sauber und die Betten sind ganz ok. Ich habe das „City Center“ gebucht, was angesichts des Feierabendverkehrs eine mittelgute Idee war. Der Verkehr raubt mir den letzten Nerv. Ich irre dann noch 2x um den Block, um einen Parkplatz zu finden, da dank Einbahnstraßen eine Wendung nicht möglich war. Letztlich ist es auch egal, dachte ich, da ich ein Hotel mit Parkplatz gebucht hatte. Zumindest dachte ich das bis dahin. Es stellt sich heraus, dass das Hotel gar keinen eigenen Parkplatz hat, sondern die städtischen Tiefgaragen nutzt. Ich fahre weitere 45 Minuten durch das Stadtzentrum von Le Mans. Mein Nervenkostüm ist kurz vor dem Wahnsinn angekommen, so winke ich eine Dame zur eigenen Belustigung zu, die ich am Zebrastreifen über die Straße lasse. Das Auto habe ich dann 2 Querstraßen weiter in einer Tiefgarage abgestellt und begab mich zurück ins Hotel. Ich entschied am Abend, dass ich am Folgetag nach Hause fahren werde. Ich habe zwar noch ein Ticket fürs Disneyland, aber ich bekam langsam Hummeln im Hintern. Außerdem kostet jede weitere Nacht gute 100 Euro und endlose Geldmittel stehen mir aktuell nicht zur Verfügung. So ein Roadtrip kostet auch Geld.
1080km Rückweg mit kleinem Umweg
Am nächsten Morgen fahre ich mit dem Fahrstuhl auf die Restaurant-Etage. Das Frühstück besteht aus 2 Croissants mit Marmelade. Es gibt auch einfach nicht viel mehr. Das Frühstück war wirklich Mist. Ich packe meine Koffer und laufe noch 15 Minuten durch die Innenstadt zum Auto. Im Parkaus angekommen, bekam ich gleich das erste Highlight des Tages. Das Ausfahr-Ticket des Hotels funktioniert nicht. Ich stelle das Auto ab, nehme die Einfahrtskarte vom Vortag und mache mich schon auf ein blaues Wunder gefasst. Der Automat zeigt sage und schreibe: 3,50€. Ha! Abfahrt!
Gold is best
Ich verlasse Le Mans und gönne mir die eine oder andere Mautstelle. Nach etwa 200km fällt mir auf den Autobahnschildern Versailles auf. Hm, da war ich auch noch nicht, denke ich. Ich stelle das neue Ziel im Navi um und fahre kurzerhand nach Versailles. Die Häuser der Stadt sind so schön (aber auch dreckig), wie ich es aus den inneren Bezirken Paris kenne. Nach etwas Stop’n’Go parke ich am Straßenrand etwa 50m vor dem Vorplatz. Es scheint nicht viel los zu sein, wenn ich so nah dran parken kann?!
Ein kleines WTF und eine Sicherheitskontrolle später, bestaune ich die Ticketschlange. Die Schlange ist so lang, das ich auf einen Besuch verzichte. Follower berichten parallel, dass wenn ich Bellevue kenne, es sehr ähnlich ist. Ich kenne nur Napoleons Residenz im Louvre, das reicht mir als Vergleich. Ich verzichte auf einen Besuch, immerhin habe ich noch 880km nach Hause.
Durch meinen Abstecher nach Versailles darf ich in der Mittagszeit einmal quer durch Paris fahren. Ein echtes Highlight – nicht. Zum Glück bin ich in Paris schon Auto gefahren, was dieses Chaos etwas besser aushalten lässt. Auf der anderen Seite kann ich noch einen Blick auf den Eiffelturm werfen. Hach. Ich verzichte auf einen weiteren Schlenker. Es geht ohne weitere Umwege Richtung Heimat.
Ich halte in Belgien, um das letzte Mal voll zu tanken. Die langsame Geschwindigkeit bringt mich mit der Tankfüllung bis nach Hause. 13km vor der Haustür meldet sich der Schwimmer im Tank, wir brechen langsam die Reserve an. Ich rolle mich gegen 22:10 Uhr aus dem Auto. Richtige Beschwerden habe ich nicht, aber ich bin platt.
2713km später und eine Erkenntnis weiter
Ich bin diese Reise angetreten, um viele Dinge über und für mich herauszufinden. Die Liste, der Erkenntnisse ist lang. Der größte Punkt ist wohl, das ich verstanden habe, wie ich ticke. Geld ist kein Antrieb für mich, was als Selbstständiger nicht immer von Vorteil ist. Ich bin Content Creator. Es wird schon seinen Grund haben, wieso ich 1998 mein erstes Online-Magazin gründete. Ich bin beim Reisen quadrotripple produktiver als zuhause im HomeOffice. Ich habe in diesen 6 Tagen so viel geschafft und erledigt. Diese Erkenntnis ist wichtig, um in der Zukunft Entscheidungen zu treffen, welche Dinge ich nicht tun möchte. Es hat noch einige Tage gedauert bis der Groschen gefallen ist – aber er ist gefallen. Allein dafür war die Reise jeden Cent wert.
Ich bin froh, das ich diesen Trip gemacht habe. Ich werde nicht nachrechnen, was er am Ende gekostet hat. Ich würde vermutlich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Danke an alle, die mich während der Reise auf den Netzwerken oder per Telefon begleitet haben.
Was bleibt und was zählt: Do what you can’t.
Hatte den Tab offen, seit du den Artikel auf FB geteilt hast.
Schöne Zusammenfassung von sechs spannenden Tagen. Die Insel und die Normandie will ich mir auch mal anschauen. Eigentlich wollten wir letztes Jahr Frankreich ein mal umrunden, an der Grenze entlang. Er auf dem Rad, ich mit Kind und Auto voraus. Hatten auch schon alle Hotels gebucht: 86 oder so. Ist leider nichts daraus geworden. Naja, vielleicht ein anderes Jahr.
Reisen ist was Tolles. Nur komme ich dabei zu nix. 😀 Da hast mir was voraus. Deswegen war ich auch eine fürchterliche Digitale Nomadin.
Wie dem auch sei, schön, dass du etwas für dich und über dich entdecken konntest. Bin gespannt, was du daraus machst.
Drückerle!