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Schleckers Bildungsniveau-Pulverfass erklärt

Schlecker ist auf dem besten Wege, das Thema der Woche zu werden. Nachdem sich langsam der Wind in Richtung Shitstorm dreht, nehme ich die Gelegenheit wahr, um als Betroffener von niedrigem Bildungsniveau mich zu äußern. Florian Baum, Pressesprecher des Unternehmens, hatte in einem umfangreichen Brief sich zu dem Werbeslogan »For You. Vor Ort.« geäußert. Dies führte zu einer Welle der Entrüstung und geringem Getrolle.

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Was war geschehen?

Florian Baum hatte sich nach einer Anfrage des Vereins für Sprachpflege etwas unglücklich ausgedrückt. Die Äußerung über das niedrige bis mittlere Bildungsniveau, welchem Schlecker seinen Kunden zuordnet, öffnete die Büchse der Pandora. Das Unheil nahm mit der Veröffentlichung des Schreibens auf Facebook seinen Lauf.

Die These, dass Schlecker nicht viel von seinen Kunden hält, nahm bereits vorgestern Abend seien Lauf. Zu diesem Zeitpunkt geriet das Dokument noch ungeschwärzt durch die Timeline und sorgte für eine Welle der Erheiterung. Diese Welle hielt sich recht lange, bis die Presse das Thema für sich entdeckt hatten. Somit kamen Welle 2 und 3 direkt hintereinander, was das Thema endgültig in die Breite treiben ließ.

Das kaputte Image – ein Pulverfass

Die Reaktionen auf den Brief fand nicht nur Beifall, sondern durchaus auch Leute, die sich damit thematisch und kritisch auseinandersetzten. »Schlecker habe hierbei nicht sonderlich viel falsch gemacht und in dem Brief stünde nur die Wahrheit«, konnte man lesen. Schlecker sei neuerdings sogar transparent. Hier kommen wir an den Punkt, wo ich mir bewusst werden muss, wie es über die Außenwirkung meiner Marke bestellt ist. Immerhin ist Schlecker nicht gerade für sein gutes Image bekannt. Dies versucht man zwar langfristig zu ändern, aber eine Grundskepsis bleibt beim Konsumenten nun mal hängen. Dass dieser Vorfall ein gefundenes Fressen ist, um Schlecker schlicht eines auf den Hintern zu geben – Hand aufs Herz: Wen wundert es?

Schlecker hat das große Problem, dass der Markenkern beschädigt ist. Welche Titelstory nun als Leser im Kopf hat, ist völlig egal – Schlecker ist einfach nicht in der Position, um sich über das Bildungsniveau auszulassen. Sollte sich das Thema heute weiter so gut positionieren, dann könnte ich mir vorstellen, dass eine große Boulevardzeitung sich dem Thema widmet. Die Headline könnte lauten: “Schlecker sagt: Unsere Kunden sind dumm” – es ist nur ein Gedanke, um zu unterstreichen, auf welchem Pulverfass man sich eigentlich befindet.

Zum Pulverfass, so schlimm war es eigentlich auch nicht. Wie Schlecker in ihrem Blog schrieb, waren es ja nur ein paar Leute:

  • Scilogs: „For You, verbohrt“
  • Financial Times Deutschland: Schlecker hält seine Kunden für doof
  • Meedia TopStory: Schlecker: Eiertanz um „doofe“ Kunden
  • sueddeutsche: For you. Vorsicht.
  • Der Westen: Schlecker bezeichnet seine Kunden als ungebildet

Wer bis hier her gelesen hat, dem wird nun auffallen, dass ich mich einer Sache noch nicht gewidmet habe: Dem Spruch. Der eigentliche Auslöser war, der von GREY geschaffene Claim »For You. Vor Ort.«. Darüber gibt es zwar schon etliche Witze mit F-Wort Variationen, aber er hat in der aufkommenden Diskussion keine Relevanz. Wer Texte schreibt oder bloggt, der wird irgendwann über eine Kommunikationskrücke gestolpert sein: der Küchenruf.

Der Küchenruf

Der Küchenruf sollte in jedem Stück Text enthalten sein. Als Blogger versucht man gern, den Küchenruf in die Überschrift zu klöppeln. Der Küchenruf umschreibt nichts anderes als die Kernaussage einer Botschaft. Im Küchenruf sind die wichtigsten Elemente einer Botschaft enthalten, die diese transportabel machen. Im Social Web werden diese Elemente als »teilbar« erläutert. Ihr schreibt in euren Tweets, Anmerkungen zu Links die Kernaussage – in diesem Fall war es schlicht: “Schlecker begründet seinen Spruch For You. Vor Ort. mit dem niedrigen Bildungsniveau seiner Kunden”.

An diesem Punkt sind wir dann auch schon dabei, wie sich Geschichten verbreiten. Angenommen ihr steht mit einem Arbeitskollegen in der Küche. Der Dialog könnte sich wie folgt verhalten:

Bob: “Hast Du schon gehört? Schlecker hält seine Kunden für dumm”
Marley: “Nein? Wieso dass denn?”
Bob: “Ach weil For You vor Ort, diesem neuen Slogan. Die haben getestet, dass die Kunden das kapieren. Naja und in dem Bildungsniveau, was bei Schlecker einkauft, funktioniert das wohl ganz gut”
Bob: “Bildungsniveau?! Was soll dass denn heißen?”
Marley: “Vielleicht das du doof bist? Zeigst Du hier ja auch gern mal auf der Arbeit
Bob: “Ja, aber Du kaufst bei Schlecker ein

Das Gespräch wird nicht dadurch fortgeführt, dass die Gesprächspartner recherchieren. Dass es heute eine Stellungnahme gibt, da kräht kein Hahn nach. Es sind die einfachsten Informationen, die transportiert werden.

Die heutige Antwort von Schlecker im Blog ist… offen gesagt, bin ich hin und her gerissen. Die Überschrift lautet: »Was sagt das Bildungsniveau eines Menschen über diesen Menschen aus? Ganz einfach: Sein Bildungsniveau.«
Die Überschrift hätte Herr Hacker von Schleckers PR-Agentur kaum nichts aussagender gestalten können. Was heißt dies denn? Diese Frage wird nicht beantwortet. Wenn ich dies auf mich projiziere, was möchte mir Schlecker damit sagen? Die spitzen Fragen aus einer solchen Vorlage sind vielfältig. Wer sich daran stört, dass es hier um einzelne Wörter gehen könnte, dem mag ich folgendes Bild an die Hand geben.

Perspektivenwechsel Marktplatz

Stelle Dir einen Marktplatz vor. Eine LKW-Bühne. Auf dem Marktplatz befinden sich etwa 2-3000 Menschen, es ist eine kleine Stadt. Auf der Bühne steht jemand am Mikrofon. Auf die Frage, wie er zu seinem neuen Slogan gekommen sei, antwortet er:

a) Eine Umfrage hat ergeben, die Leute hier sind einem niederen bis mittleren Bildungsniveaus zuzuordnen. Daher passt das ganz gut.

b) Wir haben hier rumgefragt, der Slogan gefiel den Leuten einfach am Besten!

Wie mögen wohl die Reaktionen, der einzelnen Antworten ausgefallen sein? Ohne dass man das Markenimage von Schlecker weiter in Betracht ziehen müsste.

entschlossen nachtreten

In der heutigen Stellungnahme schreibt Herr Hacker (also die PR-Agentur? Schlecker? Beide? Ich weiß eis nicht, verantwortlich ist ja die PR-Agentur. Also spricht Schlecker gar nicht mit mir?) außerdem:

»Nun kommentieren einige Internet-Nutzer den veröffentlichten Brief und setzen ein niedriges und mittleres Bildungsniveau mit „dumm“ oder „unterbelichtet“ gleich. Das ist in der Sache ebenso falsch und zynisch, wie aus unserer Sicht unverschämt und arrogant. Es entlarvt letztlich diejenigen, die sich derart äußern.«

Herr Hacker dreht den Spieß also um. Nicht die Schlecker-Kunden sind dumm sondern die Trolle. Diese Interneterkenntnis ist nicht ganz neu, aber ich mag infrage stellen, ob es nun so klug ist, gegen alles und jeden zu schießen. Hierbei lasse ich das »unverschämt« durchaus gelten, die Unterstellung der Arroganz hätte ich mir verkniffen.

Weiter schreibt Schlecker:

Wer will, mag unser Unternehmensmotto diskutieren, gut finden oder für dümmlich halten. Unsere Mitarbeiter, die zum überwiegenden Teil schon seit 15 und mehr Jahren im Unternehmen arbeiten, wie auch unsere Kunden sind es ganz sicher nicht.

Ihr Mitarbeiter? Soweit ich mich erinnern kann, war dies bereits 2009 ein äußerst heikles Thema.

Gut, da ich keinen Verriss schreiben möchte, soll sich jeder seinen Teil denken. Die Art und Weise wie (ich weiß immer noch nicht bei dem Blog, ob der zu Schlecker gehört oder ob den die verantwortliche PR-Agentur schreibt) kommuniziert wird, ist in den Grundzügen nicht falsch. Transparent, gerade heraus – aber Schlecker ist noch nicht so weit. Wenn ich mir in dieser Debatte nun Werbespots vorstelle, wo Menschen ihr Geschirr ablecken und zurück in den Schrank stellen… nicht auszumalen.

Zusammenfassung

Schlecker hat sich durch einfache Wortwahl im Ton vergriffen. Das ist ein willkommener Anlass für eine solidarische Heimzahlung ist, ist nicht weiter überraschend. Schlecker muss durch den angekratzten Markenkern überlegter kommunizieren. Wenn dieses Thema in den kommenden Tagen nicht aus den Schlagzeilen kommt, ist das Kind abermals in den Brunnen gefallen.

Da Schlecker ohnehin einen Blog betreibt (wenn auch durch komm.passion), einen Twitter-Account und Richtung Facebook schielt. Wieso man in der Familie nicht laut darüber nachdenkt, ein Social Media Team intern zu installieren, ist mir schleierhaft. Es müsste mir großen Ressourcen ausgestattet sein. Ich bin aber überzeugt davon, dass man auf diese Weise die Marke von innen heraus wieder aufbauen könnte. Vermutlich schillernder als sie je gewesen ist. Einer Illusion, der ich mich gern hingebe.

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