Mal fünf gerade sein lassen, kann helfen

Du bist nicht so beschäftigt, wie Du denkst

Ich bin mega busy! Ich arbeite sogar am Wochenende. Ich arbeite auch abends noch zu Hause etwas. Beschäftigt sein, ist keine Modeerscheinung, sondern inzwischen ein Statussymbol geworden. Das ist nicht nur völliger Quatsch, sondern offenbart auch, in welch einfache geistige Sklaverei man sich begibt.

Mal fünf gerade sein lassen, kann helfen

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Wer beschäftigt ist, der wirkt wichtig. Und wenn man jemand ist, dann hat man vielleicht eines seiner eigenen Ziele erreicht. Natürlich möchte niemand dies öffentlich zugeben, aber wenn zu einem aufgeschaut wird, genießt man es vielleicht doch für den Augenblick. Man hat etwas erreicht, eine bestimmte Position, einen Titel, eine Auszeichnung – was auch immer.

Hauptsache beschäftigt

Das ist heute anders. Es reicht heute völlig aus, dass man beschäftigt ist oder wenigstens wirkt. Dabei ist es völlig unerheblich, ob man welchen beruflichen Status man hat. Selbstständig, Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder Arbeitsuchende – dazwischen wird eigentlich nicht mehr unterschieden, solange man beschäftigt ist. Das Symbol für Scheitern ist:nicht beschäftigt zu sein. Beschäftigt sein ist ein eingeschlichenes Statussymbol. Es sicherlich aus einer Zeit, wo Menschen mit Entscheidungskraft wirklich viel zu tun hatten und es noch legitim erschien, seine Freizeit zu genießen. Zu arbeiten, um zu leben und weniger zu leben, um zu arbeiten.

Wenn heute der Vorstand von Volkswagen Vernunft walten lässt, dann wird vielerorts geklatscht. Es gilt als selbstverständlich, dass man nach der Arbeit noch für die Firma erreichbar ist. Oder man bleibt einfach noch etwas dort. Vielleicht kommt der Vorgesetzte noch einmal rum, und sieht das man noch vor Ort ist. In der Hoffnung, dass er im selben Paradigma sitzt. Andernfalls wird er einem vielleicht irgendwann nicht die nötige Effektivität vorwerfen. Der Spruch »Ergebnistriumpf statt Anwesentheitsschlumpf« wird sich sicherlich gebildet haben, um auf zynische Weise auf dieses Problem aufmerksam zu machen

geistige Sklaverei

Wer sich einredet beschäftigt zu sein, begibt sich in eine geistige Sklaverei. Man könnte sagen, man spielt sich etwas vor. Es ist ein tief verankertes Bedürfnis, gebraucht zu werden. Jeder möchte einen Teil zu dieser Gesellschaft oder seinem Umfeld beitragen, sich einbringen und eben ja: Hin und wieder auch mal gebraucht werden.Diesen Zustand kann man simulieren, in dem man oft genug aufzeigt, dass man beschäftigt ist.

Online ist es anders

Interessant dabei ist, dass online sich die Dinge verschieben. Wer regelmäßig in sein Statusfeld schreibt, dass er beschäftigt ist oder darüber jammert, wie beschäftigt er sei, der ist nicht wichtig. Er nervt. Es nervt extrem. Der Echoraum ist kleiner und die Nachricht ist stärker. Die eigene Profilierung kann dann schnell zum Vorwurf gemacht werden. Vielleicht ist dies auch richtig so.

Es wird eine nächste Trenderscheinung aufkommen. Entschleunigung (hippster Wort) wird in Mode kommen. Es wird hipp sein, sich Freizeit zu gönnen. Denn wer Zeit hat und nicht arm ist, ist wichtig – das war schon in den letzten Jahrhunderten so. Wer kann es sich schon leisten, nicht beschäftigt zu sein? Und wer wichtig ist, der wird gebraucht. Und wer gebraucht wird, der füttert damit ein Grundbedürfnis seines Wesens.

Ich muss dann auch los. Ich bin beschäftigt. Ich muss noch etwas prokrastinieren, bevor ich noch etwas verpasse.

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