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Warum so negativ?

Ich gehe seit Längerem mit einem Gedanken schwanger. Wieso sind wir so negativ? Und wieso springen wir auf Negatives so gut an? Und wieso lässt sich das so schwer ändern? Lernen wir von den Nachrichten?

Wer sich täglich im Netz bewegt, wird umso intensiver merken, dass Aufmerksamkeitshascher gern negativ unterwegs sind. Man muss gegen irgendwas sein. Android-User finden Apple doof. Apple findet sowieso jeder doof, außer die Fanboys, aber die sind ebenfalls doof. Fleisch essen, ist schlecht fürs Karma. Kaffee auch. Und dieser Kommerz in den Blogs ist unfassbar schlecht. Es ist eine bodenlose Frechheit, dass Menschen mit ihrer Arbeit auch noch Geld verdienen wollen. Die Liste wogegen man sein kann ist sicher lang. Aber warum?

Meinungshoheit > Meinungsfreiheit

In der Regel sind es persönliche Befindlichkeiten. Es geht auch nicht um die Sache, sondern um schiere Aufmerksamkeit. Meinungshoheit statt Meinungsfreiheit. Es gibt sogar eine politische Gruppierung, die das so handhaben. Sie werben in Moment weniger mit eigenen Inhalten, viel mehr gegen irgendwas von anderen zu sein.

Twitter

Wer auf Twitter ist, kennt sie zu gut. Diese Punkte-Schreiber vor die Mention, damit auch jeder liest, wogegen sie gerade sind. Man kann dies hin und wieder tun, sagt ja niemand was – aber beim 20. Tweet in Reihe, wird es dann doch auffällig. Twitterer. Ich liebe diesen Service, aber dieses ständige „dagegen“ sein – nervt. Die Bahn ist schlecht. Die Bahn kommt zu spät. Das Angebot ist zeitlich begrenzt. Der Laden hat nur blaue Servietten. Der Fahrstuhl ist kaputt. Was für ein Mist.
Ehrlich? So sehr ich diesen Service mag, geht es mir auf den Keks. Ich kann es nicht mehr lesen und natürlich weiß ich, wie man jemanden entfolgt. Es betrifft nicht nur meine Timeline, es betrifft auch eure. Schaut mal rein.

Negatives zieht

Machen wir uns nichts vor, bei all der sozialen und zwischenmenschlichen Romantik, weiß ich auch: Negatives zieht. Es bringt unheimlichen Trafficzuwachs, wenn man gegen irgendwas oder irgendjemanden ist. Es ist ja auch per se nicht Schlechtes dran, wenn man sich nicht alles gefallen lässt. Aber Hand aufs Herz – das meiste davon ist belangloser Mist.

Ich will ja gar nicht absprechen, dass ich in der Vergangenheit auch gegen vieles war und ziemlich auf die Kacke gehauen habe. Einige Leser fanden das super. Ich damals auch – heute weniger, weil es mich extrem viel Lehrgeld gekostet hat (auch buchstäblich finanziell).

a rant a day keeps low traffic away

Für den Kick, für den Augenblick

corsa jumpEs ist einfach gegen irgendwas zu sein, einen Rant zu schreiben und die 5 Minuten Ruhm zu bekommen. Das Problem ist die Langzeitwirkung. Niemand hat Bock auf notorische Nörgler und Klugscheißer.

Es beginnt damit, dass man darüber nachdenkt, was man gerade ins Netz blasen will. Wenn ich mich über Bela Rethy oder Marcel Reif aufrege, dann kann man das Mal machen – aber jeden Spieltag? Muss man jede Verspätungsminute der Bahn negativ kommentieren? Muss ich jedes Mal einen Rant schreiben, nur weil eine Fanpage mit 217 Likes gegen die Richtlinien verstoßen hat? Und wenn ja, welche Relevanz hätte dies? Was willst du damit bewirken? Facebook wird es egal sein, dem Fanpage-Betreiber vermutlich auch. Aber Du hast in dem Moment recht gehabt, richtig?

Posivites erfordert Denkarbeit

Es macht mir den Anschein, das positiv zu sein, mehr Arbeit macht.Wir leben in einer negativ geprägten Medienlandschaft: Hass, Krieg, Katastrophen. Ich bin davon überzeugt, dass es uns beeinflusst. Unbewusst.

Ich habe irgendwann angefangen, nach positiven Dingen zu suchen. Das ist gar nicht so einfach, weil vieles auch einfach alltäglich oder nur durchschnittlich ist. Das macht aber nichts. Ich schreibe weniger Erhabenes, lösche Tweets vor dem Absenden und halte mich mit Angriffen zurück. Wenn dies der Mittelweg sein sollte, dann ist soll mir das Recht sein. Ich erfreue mich aber an Fundstücken wie Fred diese Woche.

Ihr kennt das alle – bei Facebook. Ein Beitrag und ihr habt einen total lustigen, schlauen, ironischen, zynischen Kommentar parat. Wenn es nicht die Lösung des Problems sein sollte, haltet kurz inne – hilfreich oder Zeitfresser?

Kleine Geschenk erhalten die Freundschaft

Ich würde mir wünschen, dass wir generell mehr Gutes auf die Bühne bitten. Ich meine es nicht im Sinne eines Gutmenschen. Aber lobt doch mal euren Buddy für seinen Blogpost, für die Bildwahl oder einen Hinweis auf eine App. Wenn euch ein Tipp weitergeholfen hat, hinterlasst einen Kommentar. Seid doch einfach mal nett 😉

Versteht mich nicht falsch, ich will aus euch keine Gutmenschen machen. Ich mag eine kritische Meinung und ich lese gern einen guten Rant. Das Problem was ich sehe ist, dass vieles einfach völliger Nonsens ist. Wir regen uns künstlich über jeden (Entschuldigung) Scheiß auf, völlig unnötig, völlige Energieverschwendung. Es fällt einem vielleicht nicht auf, aber wenn ich die Aufregung in der ersten Nachfrage schon in eine „eigentlich ist es mir gleichgültig“ relativiere, dann ging es unbewusst nur um Aufmerksamkeit? Ich bin wie gesagt überzeugt, dass das meiste nicht bewusst ist. Es sind Automatismen, die aus dem Gerlenten und Gelebten resultieren.

Es wäre ja ein einfaches, einfach mal 5 gerade sein zu lassen. Den lieben Gott einen lieben Mann sein lassen oder locker durch die Hose zu atmen oder im Neusprech: Chillt mal eure Basis (weitere Phrasen dürfen gern in den Kommentaren hinterlassen werden). Wenn ihr das nächste Mal wieder gegen etwas sein wollt, versucht doch mal zu schauen, was ihr in der gleichen Situation für gut befinden könnt. Da kommen interessante Dinge ans Licht.

Achtung, Marketingsprech: Am Ende des Tages (sic!), wird dies auf eure Marke einzahlen!

Probiert es aus!

(Bild: Shutterstock, Kreidetafel)

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