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Was sollen Menschen in ihrem Facebook-Post schreiben, wenn ich mal sterbe?

Wenn ich einmal sterbe: Ja, was bleibt denn dann? Eine Frage, die ich mir hin und wieder stelle, wenn es nicht so läuft oder jemand verstorben ist.

Wenn jemand stirbt, mit dem Du befreundet warst oder der/ die in einer Online-Blase bekannt war, dann folgen daraufhin Nachrufe. Ein Nachruf ist die Hervorhebung der guten Eigenschaften, der/die verstorbenen Person. Dies führt in der Regel zu einer kognitiven Verzerrung, denn es ist moralisch verwerflich einem Toten noch Mist hinterher zu werfen. Das heißt nicht, dass es nicht vorkommt, aber dann muss man sich hassen.

Ich stelle mir diese Frage seit meinem 14. Lebensjahr. 1993 verstarb meine dritte Schwester bei einem Autounfall. Es hat mich aus dem Leben gerissen und sicherlich für immer geprägt. Sie war gewiss nicht perfekt, wir waren uns nicht immer grün, aber ich habe ihr Einiges zu verdanken. Sie hat mir viel beigebracht und durch ihr Handeln nicht zuletzt Werte mitgegeben auf denen ich mein heutiges Leben aufbaue. Die Bindung zu ihr ist so stark wie zu keiner anderen Person. Es beschäftigt mich 25 Jahre später noch.

Was sollen Menschen in ihrem Facebook-Post schreiben, wenn ich mal sterben werde? Eine Frage, die den Blick auf die Langfristigkeit wirft in einer kurzlebigen Zeit. Ihr kennt das vermutlich selbst, es geht in den Kommentarspalten selten darum, sich auszutauschen, sondern Recht zu haben oder zu bekommen. Whataboutism, Meinungshoheit etc – you name it – kickt dann richtig durch. Ich mache mich davon nicht frei, ist mir sicher schon passiert und wird mir weiterhin hin und wieder passieren. Die Frage, die ich mir stelle: Will ich dafür bekannt sein, dass ich in irgendwelchen Kommentaren unnötig gepöbelt habe? Vermutlich nicht. Welches übergeordnete Bild möchte ich also zeichnen?

Eine Frage, die sich nicht so leicht beantworten lässt. Antworten, die sich nicht in einer Handlung ableiten werden. Es erfordert Ausdauer, vielleicht auch Disziplin; es ist in jedem Fall langfristig. Jeder Mensch möchte irgendwie gut dargestellt werden oder sieht sich als guter Mensch. Prominentestes Beispiel dürfte Al Capone gewesen sein, der sich als berüchtigtster Verbrecher der USA in den 1920-1930ern selbst als Wohltäter und ungerecht behandelt sah. Eigen- und Fremdwahrnehmung sind zwei unterschiedliche Ansichten…

Kommen wir zurück zum Thema. Um die Frage zu beantworten, wirst Du dir mal Zeit nehmen müssen und tief in dich gehen. Wer jetzt nicht von Todesfällen betroffen ist, kann eine Übung machen, die aus 2 Teilen besteht:

  1. Was würdest Du deinem Umfeld mitteilen, wenn Du im Sterbebett liegt?
  2. Stell dir deine eigene Beerdigung vor und was soll über dich gesprochen werden?

Die Übung selbst soll von Stephen Covey stammen, zumindest habe ich dies häufiger bei der Recherche gelesen. Ich kann mir aber vorstellen, dass die Übungen sind schon älter – wie dem auch sei, es war jedenfalls nicht meine eigene Idee.

Die Eingangsfrage kann ich nicht beantworten. Ich schreibe zu Lebzeiten auch niemandem vor, was er von mir zu halten oder zu denken hat. Und so manchem weise ich die Tür, aber ich möchte:

  • Menschen inspirieren, Dinge zu tun, zu denen ihnen bisher der Mut fehlte
  • Menschen dazu ermutigen, ihre unbequeme Meinung laut auszusprechen
  • Menschen in mentalen Schieflagen aufzeigen, dass ein Semikolon besser ist als ein Punkt
  • Menschen ermutigen, sich eigene Gedanken zu machen

Dies und gewiss noch viele andere Dinge und zwischendrin eine gute Zeit haben. Letztlich möchte ich dir die Frage mit auf den Weg geben: Was sollen Menschen in ihrem Facebook-Post schreiben, wenn Du einmal stirbst?

Photo by Chris Buckwald on Unsplash

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