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Social Media Best Case: Deutsche Bahn

Die Deutsche Bahn musste in den letzten Jahren viel einstecken, wenn es um den Kampf der Jahreszeiten ging. Klimaanlangen, Schnee im Winter und viele Verspätungen sorgten für eine negative Außenwirkung. Bahnfahren war nicht gerade das, was man sich vorstellen wollte.

Als Ex-Bahner bin ich seit meinem Ausscheiden fast 10 Jahre keine Bahn gefahren. Es kam nicht infrage. Heute fahre ich so viel Bahn, dass eine Bahncard-Comfort in realistische Nähe gerückt ist. Viel wichtiger ist aber, dass ich den Zug inzwischen ab 200km so gut wie immer vorziehe.

Der Service der Bahn hat sich in der Realität vielleicht nur geringfügig verbessert. Züge kommen immer noch zu spät und ich hege einen regen Austausch mit dem Service für Fahrgastrechte. Der Knackpunkt hier ist: Es ist ok. Es ist keine mittelschwere Katastrophe mehr, dass der Zug später kommt. Ich habe alle erforderlichen Informationen, welche Möglichkeiten mir in einem solchen Fall offen stehen. Diese habe ich mir „monatelang“ (also von Fall zu Fall) beim Twitter-Service @DB_Bahn erfragt.

Der Draht nach oben

Der leichte Zeitversatz im Netz tut der Bahn gut. Wenn ich am Schalter mich durchfrage, bin ich auf das Fachwissen des einzelnen Mitarbeiters angewiesen. Dieser sollte dies natürlich genauso gut erfüllen, dies ist aber nicht immer der Fall. Mir als Konsument bleibt immer noch der Draht nach oben. Vorbei an allen Hierarchien ins direkt Servicezentrum, wo schon viele Kunden vor mir eine kompetente Antwort erhalten haben. Diese fällt nicht immer positiv aus, aber ich erhalte einen akzeptablen Gesprächspartner.

Twitter überbrückt Infrastrukturlücken

Die Nutzung von Twitter ist für die Bahn aber auch ein Infrastruktur-Fixkit. Durch den Verzicht auf eine eigene Infrastruktur lassen sich ganz neue Szenen bewerkstelligen. Wenn Konsumenten eine Frage haben, werden sie diese in dem Moment los, wo ihr Anliegen akut ist. In der Provinz oder an kleinen Haltestellen gibt es aber keinen Schalter. Twitterer wissen, wie sie ihre Frage loswerden können, denn der Weg hat sich erprobt erwiesen. Selbst wenn man sich im Zugdepot befindet…

https://twitter.com/lifehouse__/statuses/424717699261169664

Darüber hinaus hat die Bahn mit etwa 170000 Mitarbeitern auch Twitterer in ihren eigenen Reihen. Wie das Beispiel zeigt, wo eine Oberleitungsschaden gemeldet wird.

Kleiner charmanter Unfall mit großer Wirkung
Kleiner charmanter Unfall mit großer Wirkung

Ein kleines Missverständnis, welches zum medialen Schmunzler wird. Die positive Darstellung der Bahn in der Presse ist für ihr angeschlagenes Markenimage wichtig. Der Passagier ist sicherlich verärgert, da sein Tagesplan aus den Fugen gerät. Mit den Einblicken gibt man ihm unterbewusst die Möglichkeit, einen Alternativvorschlag zu machen. Aber was will man da schon tun? Eben. Die Frage ist nicht, ob der Kunde einen Lösungsweg erarbeiten könnte. Im Kern wird dem Kunden auf dezente Art vermittelt, dass er in all seiner Weisheit hier scheinbar auch nicht weiterhelfen kann. Selbsterkenntnis regt Gemüter in der Regel ab. Ein schöner Psychologie-Kniff der zweifelsohne unbewusst passiert, schließlich wollte er nur informieren.

Keine Serviceoffensive

Ein Kernelement in diesem Konstrukt ist, dass es keine Serviceoffensive ist, oder ein anderes Marketingschlagwort dafür herhalten muss. Es kommt von innen, beständig und in seiner Qualität gleichbleibend. Die Dialogmitarbeiter verfügen über die erforderlichen Freiheiten, um auch mal einen fragwürdigen Dialog zu führen.

Der Konsument spürt aber, dass dies nicht aufgesetzt ist. Authentizität, falls jemand ein Schlagwort benötigt. Die Bahn fängt nun nach und nach an, die erste Ernte einzufahren. Neben einer veränderten Kundenwahrnehmung zeigt sich die Bahn auch häufiger positiv in der Presse. Es geht vielleicht nur um einen unwesentlichen Twitter-Dialog, es geht aber auch nicht um defekte Klimaanlagen, Schnee im Winter oder Fahrpreiserhöhungen.

Zusammenfassend

Die Deutsche Bahn zeigt, welch langen Atem man benötigt, um die ersten Früchte zu ernten. In einem solchen bürokratischen Koloss wird es nicht einfach sein, die erforderlichen Kompetenzen und Freiheiten einzufordern und zu bekommen, um dies in dieser Klasse zu tun.

Die Deutsche Bahn hat es geschafft, einen akzeptierten Gesprächspartner auf Twitter aufzubauen. Sie tun noch viel mehr und zeigen ihr Gesicht auch auf Facebook, wieso z.B. die Strecke Hannover-Berlin so lange gespeert war. Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass das Wasser so hoch so lang steht. Danke für die Fotos.

Die Bahn informiert über den Wasserstand im Sommer 2013. Fotos: Deutsche Bahn.
Die Bahn informiert über den Wasserstand im Sommer 2013. Fotos: Deutsche Bahn.

Das Marketing sollte sich dies zu nutzen machen. Ich kann mir durchaus eine Kampagne mit den besten Twitter-Dialogen vorstellen. Viele Bahnkunden kennen vielleicht Twitter nicht, aber es ist doch völlig hinfällig, wo der Dialog stattfindet, solang es die Plattform eines Kunden ist. Und dies ist Twitter wahrlich. Man darf auch mal zeigen, was man hat.

Es wird seine Zeit dauern, bis die große Masse davon Wind bekommt, worüber im Netz heute geschmunzelt wird. Aber wenn sich Menschen finden, die Sessions auf Barcamps halten, dass die Bahn auch pünktlich sein kann und die Zahl der (unbewussten) Markenbotschafter steigt, sehe ich gute Chancen für die Bewältigung von kleineren Krisenfällen ohne großen Aufwand (Stichwort: Selbstbereinigung der Gemeinschaft). Denn auch auf Google+ macht man eine gute Figur.

Danke, liebe Bahn, dass ich immer einen kompetenten Gesprächspartner vorfinde, wann immer ich ihn tagsüber benötige.

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