Es gibt Fragen, die trage ich durchaus Monate mit mir herum oder länger, um immer und immer wieder darauf rumzudenken, was ich übersehen habe. Ihr kennt das sicherlich, nach einem Synapsenkurzschluss fällt es einem wie Schuppen von den Augen.
So grübelte ich eine Weile darüber nach, wieso es für Instagram keinen Upload im Web gibt. Dieser Gedanke wurde im Netz ziemlich laut, nachdem Instagram sich vor etwa 2 Jahren dazu entschied ein Webinterface zu haben. Dies wäre doch durchaus naheliegend, und man könnte in Konkurrenz zu irgendeinem beliebigen Fotodienst treten. Dies hätte Instagram vor Kauf durch Facebook sicherlich tun können, es hätte aber das Netzwerk vermutlich gefährdet.
Ein Webupload hätte die Gewohnheit des Nutzers verändert!
Es klingt im ersten Moment sehr naheliegend, aber was bedeutet es denn? Die Gewohnheit des Nutzers. Es ist nicht das Verhalten, das wir an den Tag legen, wenn wir etwas nach Schema F erledigen. Es ist das unbewusste Verhalten, dass uns motiviert, etwas zu tun. Die Motivation täglich sich mehrfach auf Facebook einzuloggen, sich auf Twitter zu echauffieren oder sein Essen für Instagram zu fotografieren. Jeder Nichtraucher, der mal geraucht hat, wird nun exakt wissen, was ich meine – denn gerade diese Personengruppe weiß, was es heißt, sich dabei zu erwischen alte Verhaltensgewohnheiten zu reflektieren.
Kurzfristig mehr Bilder
Instagram hätte mit einem Webupload ein sehr starkes Element seiner Plattform vernichtet. Die Hürde, ein Bild hochzuladen, wäre auf den ersten Blick gesunken (ein Trugschluss) und es hätte eventuell für einen temporären Anstieg gesorgt. Es hätte aber keine neuen Gewohnheiten hervorgerufen. Wobei eine Gewohnheit zu initiieren ohnehin nichts ist, was man mal eben so nebenbei macht. Es dauert in der Regel Monate, sofern man diesen Sprung überhaupt schafft. Wie viele Netzwerke sterben ab, weil die Sache mit dem User generated Content nicht funktioniert?
Bedienbarkeit einfach halten
Für Instagram-User heißt das: Einen Moment festhalten, ihn mit 70er Jahre-Filter bestücken und ins digitale Poesiealbum kleben. Es ist eine Sammlung von speziellen, lustigen, hübschen oder belanglosen Bildern. Jeder Nutzer sieht es als das, als was er es sehen möchte. In der Regel ist man sich aber einig: Es ist oder macht Spaß. Spaß ist hier eigentlich ein Synonym für Gewohnheit. Woher wissen Instagram-User denn gerade, dass sie ihr Smartphone für ein Foto zücken müssen? Woher wissen sie, dass sie dieses Bild gerade festhalten wollen? Dies ist in den wenigsten Fällen eine kühne Berechnung, es geht intuitiv.
Die Möglichkeit ein Bild über das Web hochzuladen zu können, hätte all dies zunichtegemacht. Es würde bedeuten, dass ich mein gemachtes Foto erst vom Handy auf den Computer bekommen muss, dann muss ich auf die Webseite gehen, das Formular aufrufen, die hochzuladende Datei auswählen, Filter auswählen, Bild beschriften und Taggen und abschicken. Hobbyfotografen dürfte dieser Weg bekannt sein, wenn man das Handy mit der Kamera ersetzt und irgendwo noch Lightroom / Photoshop einsetzt.
Dieser Vorgang hat zwei elementare Macken. Ersten ist er zu komplex, um daraus eine Gewohnheit werden zu lassen. Dies funktioniert nur mit einer höher ambitionierten Zielgruppe, wie eben Hobbyfotografen, denn da sind die Beweggründe anders. Dieses Modell kann man bei 500px beobachten. Allein die Qualitätsunterschiede dürften verständlich visualisieren, was ich meine. Zweitens und diesen Punkt halte ich für viel wichtiger: Es hätte die Gewohnheit von Millionen Menschen infrage gestellt.
Sicher wären einige bei dem alten Modell geblieben, andere hätten den Webupload genutzt und ein Teil wäre im Laufe der Zeit schlicht weggebrochen. Die Motivation wäre gesunken, was den Nutzer dazu verleitet hätte, erst gar kein Foto zu machen.
Keine Fotos, kein Upload, kein aktiver Benutzer, Abklingen der Gewohnheit, Abkehr vom Netzwerk.
Es ist möglich, die Gewohnheiten der Nutzer verändern. Dies sollte allerdings nur in dem Zusammenhang entstehen, dass man ihm klipp und klar aufzeigt, was seine neuen Vorteile (Zeit, Geld, Komfort etc) sind.
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