Wie es manchmal so ist, wenn ein Dienst über den Teich schwappt. In diesem Monat ist es Pinterest, der das rege Interesse der digitalen Boheme weckt. Jan Tißler hat es in der TechnikLoad 70 so treffend formuliert: »Das ist gerade so der Dienst, wo gerade alle mitmachen, die bei allem mitmachen«. Die im ersten Moment etwas zerstreute Antwort skizziert allerdings sehr treffend das Stadium, indem sich Pinterest gerade befindet.
Was ist Pinterest?
Pinterest ist ein virtuelles Pinbrett. Ihr könnt euch dort mit Hilfe von Bildern Lesezeichen ablegen. Auf verschiedenen Brettern könnt ihr eure Pins organisieren. Der Nutzer kann seine Pins in verschiedenen Brettern sortieren, zum Beispiel nach Genre, Kategorie oder anderen Vorlieben. Ein Pin kann “repint” (also wiederholt werden), kommentiert oder mit einem Like versehen werden.
Pinterest ist nicht „so neu“ und bekam bereits im November seine erste Aufmerksamkeit in Deutschland. Ende November hat Rocket Internet seinen Klon mit Pinspire auf den Weg gebracht. In China ist man da weiter: das Social Network RenRen hatte vorgelegt. Wer bei RenRen nicht angemeldet ist, probiert es hier, hier oder gern auch dort (oder lieber hier?).
Für wen ist Pinterest etwas?
Die wichtigste Frage, die man sich als Unternehmen stellen muss, ist: Macht es Sinn für mich? Es kann durchaus Sinn machen, sich völlig unverbindlich mit Pinterest zu beschäftigen. Das Unternehmen sollte allerdings einen emotionalen Kontaktpunkt haben. Die besetzten Themenfelder zeichnen dies bereits ab. Essen & Trinken, Kleidung, Lifestyle sind gern gesehen, daher sollte der E-Commerce es zumindest auf den Zettel haben. Eine aktive Beobachtung dürfte aber für den Moment ausreichen.
Pinterest und der Traffic
In Moment hagelt es Berichte, dass der Dienst richtig gut Traffic generiert. Ich hatte bisher darüber 3 Besucher (Hell yes!). Die Gefahr liegt daran, wie man Traffic generiert – dabei ist selbst der Traffic gar nicht mal so entscheidend. Wenn ich als Onlinehändler meine Produkte dort platziere, dann interessiert mich nur eine Sache: Abverkäufe.
Pinterest steht in Moment im Fokus digitaler Vorreiter – nicht mehr und nicht weniger. Es gibt sicherlich noch Statistiken darüber, dass Twitter mehr Traffic generiert als Facebook, Facebook mehr als die Google Suche, Google+ mehr als Twitter und Facebook zusammen. Ich verstehe das Aufsehen, befürchte aber es wird ebenso schnell wieder abfallen (nicht in den nächsten Wochen).
Pinterest und Blogger?
Es hängt wohl vom Thema ab, wie hoch die Chancen einer Etablierung für euren Blog sein könnte. Dieser Blog ist zwar sehr textlastig, was mich nicht davon abhält, den Pin-It Button für eine Testphase einzubauen. LinkedIn und StumbleUpon haben in der Vergangenheit hier nicht funktioniert. Wenn man sich bei Pinterest auf das Wesentliche konzentriert, müsste man dem Artikelbild mehr Aufmerksamkeit widmen. Ob dies funktioniert, weiß ich in einigen Wochen.
Massenmarkt? Ja, aber nicht in Deutschland
Nico Lumma schreibt, dass ein Massenmarkt entsteht. Ich würde die Aussage nicht pauschal vom Tisch weisen – aber in Deutschland? Ich denke nicht. Erst mal wird irgendein Datenschutz-Herr sich bemühen den Riegel vorzuschieben, dann wird sich jemand über die Urheberrechte auslassen. Letzteres ist auch in den USA nicht ganz unumstritten.
Letzten Endes nutzen wir in Deutschland das Netz auch anders als z.B. die Amerikaner es tun. Ich weiß, diese Erkenntnis ist für viele sehr erschütternd, aber es gibt da eine Reihe von Beispielen: Digg, Reddit oder auch StumpleUpon sind ebenfalls Dienste, die dir im schlimmsten besten Fall den Server ausknipsen. In Deutschland spielen sie aber keine Rolle (wenn auch sie den Geeks bekannt sind).
Es ist vielleicht ein kulturelles Problem. Wir sprechen nicht gern über uns selbst, weil die, die es tun, es oft zu laut tun. Daniel Rehn schreibt als Zwischenüberschrift in seinem Post zum Service »Eine Bühne für Selbstdarsteller ohne Geschäftsmodell und mit Copyright-Problemen?«. Selbstdarsteller – genau das könnte ein Problem werden. Nicht jeder, der etwas präsentiert, ist auch ein Selbstdarsteller. Wir tun uns hierzulande dennoch schwer damit zwischen Vermarktung und Spam zu unterschieden.
Mögliche Geschäftsmodelle
Um einen Punkt der Überschrift von Daniel gleich mit aufzugreifen. Pinterest hat noch kein Geschäftsmodell geäußert. Ich könnte mir folgendes vorstellen:
- 1. kostenpflichtige API für E-Tailer (automatisches Einschieben von Produkten)
- 2. dezente Werbung (könnte ein paar $ in die Kasse spülen)
- 3. Highlighting eines Produktes (sticky item)
- 4. Provision über Affiliate-Links (x % vom Artikel)
- 5. Kooperation mit Verwandten Diensten – ähnliche wie Punkt 1 nur mit Marktplätzen wie Etsy z.B., was in den USA auch besser dasteht als hierzulande.
Fazit
Das Folgen von einzelnen Pinboards ist eine alte Idee, die sich an diesem Beispiel aber gut zeigt. Vielleicht wird sich dies auf andere Dienste ausdehnen – was im Prinzip nichts anderes als ein (Informations)Filter ist. Pinterest kann vieles sein, muss sich aber erst national beweisen, wozu es im Stande ist.
Ich denke nicht, dass der Service seine Erwartungen erfüllen wird. Was nicht gleichzusetzen ist, dass keine Nische besetzt werden kann. Andere Bookmarking-Dienste sind auch schon gekommen und wieder gegangen. Nicht jeder benötigt einen Service, der seine Prokrastination im Netz bewältigt.
Also bei Alexa-Rank von 113 kann man sicher einiges mit der Werbung reissen.
Ich finde Pinterest spannend, aber bislang kein Traffic generiert. (Ok, Luxuskarren sind eher eine sehr kleine Nische 🙂 )
Topartikel, ich les meist nur mit statt zu kommentieren 😉
Hallo Kai,
ich benutze Pinterest auch und ich bin auch positiv angetan von diesem Webservice. Auch ich glaube übrigens das Pinterest Chancen auf den Massenmarkt hat (zu dem Thema Deutschland komme ich später). Jan hat wie Du oben beschrieben hast in der Technikload 70 gesagt: „Das ist gerade so der Dienst, wo gerade alle mitmachen, die bei allem mitmachen“ und genau das sehe ich nicht so. Es ist nicht wie bei Google+ oder ähnlichen Networks bei denen man einfach mal die Sau durch´s Dorf treibt weil die Geeks und Nerds einfach eh immer alle Dienste ausprobieren. Natürlich trifft man (gerade in Deutschland) die Nutzer die man auf jedem neuen Service antrifft aber ich finde das auch jetzt schon eine große Menge an Usern dabei ist, die man sonst nicht auf dem Schirm hat. Das mag verschiedene Gründe haben und einer davon ist garantiert, dass Pinterest in der Bedienung sehr simple ist und einfach mit visuellen Eindrücken arbeitet, die viele als Inspirationsquelle nutzen.
Ich gebe Dir aber Recht, dass dies nicht bedeuten muss das der Dienst in Deutschland funktioniert aber wenn ein Dienst mal wieder eine Chance hat auch hier die Masse zu erreichen, dann ist es meiner Meinung nach Pinterest. Gerade weil er so simple ist und Menschen aus verschiedenen Gründen anspricht. Google+, Digg, Reddit und StumbleUpon sind alles sehr coole Dienste, die aber eine bestimmte Art User ansprechen und da (Wir) das Internet anders nutzen als z.b. die Amerikaner, nutzen diese Dienste hier eher die Geeks,Nerds,usw.. also wir 😉
Ob Pinterest für ein Unternehmen interessant sein kann? Ja natürlich kann es das aber es kommt auf das Unternehmen an und auf die Bereitschaft sich auf diesen Dienst einzulassen. Gerade für alle Unternehmen die irgendetwas mit Design, Mode, Inneneinrichtung, usw. machen, könnte es eine Chance sein. Es gibt ja schon genug Beispiele für Unternehmen die schon aktiv sind und wenn das Unternehmen einen Online Shop besitzt und international versendet, dann sollte das Unternehmen zumindest mal eine Auge auf Pinterest werfen.
Nicht jeder Dienst muss in Deutschland erfolgreich sein, damit Unternehmen sich damit beschäftigen.
Ich bin jedenfalls gespannt wie Pinterest sich entwickeln wird und ob auch hier irgendwann die Early Majority erreicht wird. Zumindest bin ich davon überzeugt das es das Potential dazu hat (sogar mehr als G+ das hier in Deutschland hat)!
Grüße
Stephan
Hey Stephan,
Deutschland oder Markt, Deutschland oder Markt? Stephan, das hier ist ein deutschsprachiger Blog – was interessiert mich ein Markt auf einem anderen Kontinent? 😉
Bei den Unternehmen bin ich bei dir, aber eben sollte es nur die Gruppe sein, die bereits sattelfest den Rest beherrscht. Ich wollte dieses „wenn sie in Fashion, Food oder Lifestyle arbeiten – müssen sie dorthin. Die Karten in den Bereichen sind gut, Tech ist auch gut – keine Frage. Aber eben nur als neuer Spielplatz, wenn „der Rest“ schon läuft.
Bin genauso gespannt wie du 😉
Grüße
Hi Kai,
deutschsprachiger Blog hin oder her. Das ändert ja nichts daran das es für Unternehmen (und erst Recht kleine Shops, die handcrafted Zeugs produzieren) eine sehr gute Möglichkeit wäre um auch im Ausland wahrgenommen zu werden.
Ich dachte eigentlich das Du auch über Ländergrenzen hinweg denkst. 😉
Und man „muss“ nie unbedingt einen Dienst benutzen aber es wäre ratsam den Dienst im Auge zu behalten!
Danke für das Aufgreifen meines Artikels und das Weiterspinnen meiner Gedanken zum Service 😉
Ich kann Stephan im weitesten Sinne eigentlich nur zustimmen, wenn er sagt, dass sich bei Pinterest User tummeln, die man sonst nicht mitbekommt. Welche das sind? Die, die sonst immer „nur mal gucken wollen“. Das Schöne an Pinterest: Mit „nur mal gucken wollen“ ist man bereits dermaßen angefixt, dass man immer weiter schaut, was sich finden lässt. Und weiter. Und weiter.
Ich finde das bemerkenswert, gerade weil wir noch in der Phase der Early Adopter sind. Falls überhaupt. Wir haben diese Phase gerade erst erreicht, würde ich sagen.
Den wichtigsten Punkt, der Unternehmen die Teilnahme am Service möglich machen könnte, hast du, Kai, direkt genannt: Es braucht eine emotionale Komponente, um sich dort einfinden zu können. Ich denke da an eine Marke wie Burberry, die locker aus dem Handgelenk Bilder seiner Kollektionen mitsamt Kaufinformationen und Co. streuen könnte. Selbst C&A oder H&M könnten sich dort sofort platzieren, um die Stardesigner-Kollektionen zu teasern. Der virale Effekt wäre meiner Meinung nach gegeben.
Folglich kann ich mir die von dir skizzierten Geschäftsmodelle allesamt gut vorstellen. Vielleicht sogar parallel zueinander.
Nichts zu danken.
Die Einstufung der Phase sehe ich genauso, man tritt gerade in die Early Adopter-Phase ein. Letztlich ist es ja in Moment nichts anderes als ein Orakeln und wenn man Stephans Argument mit einbezieht – was passiert ohne das Dorf?
Für Pinterest spricht, dass es seit einiger Zeit in den USA organisch wächst und nicht als Blase platzt. Der Rest ist Flipcoin-Wahrsagerei ;O
Natürlich ist es orakeln und natürlich brauchen wir die Early Adopter die die Sau durch das Dorf treiben aber trotzdem sehe ich hier andere Nutzer und das macht es sehr interessant.
Da die breite Masse in Deutschland andere Anforderungen an Dienste hat als wir ist ja nun kein Geheimnis. Es wird leider immer zu oft vergessen. Es hat schon seine Gründe warum auch nach 8 Jahren immer noch neue Nutzer von WKW oder den VZ-Netzwerken zu Facebook wechseln.
Pinterest ist erfrischend anders. Es ist simple, es bindet emotional und man kann etwas machen ohne das man sich zuerst seinen Social Graph aufbaut und ich glaube das genau das sehr wichtige Faktoren sind um auch in Deutschland die breite Masse zu erreichen.
Hallo! Mal eine allgemeine Frage: Aufgrund welcher konkreten Merkmale (Zahlen) ordnet ihr pinterest den early adopters zu? Kann diese Einordnung total nachvollziehen, allerdings nur aufgrund einer persönlichen, objektiven Wahrnehmung.
@LikedBy: „Ami-Klon“ wäre mal was Neues, die Recommender GmbH hinter LikedBy allerdings hat ihren Sitz in Berlin. #kernkompetenzen
Hm, kann nicht genau sagen, wieso ich auf Ami-Klon kam – zweifelsohne ist es falsch, ich habe es daher geändert. Danke für den Hinweis
Pinterest klingt sehr interessant, es gibt sogar schon einen Artikel wie man ganz viele Besucher in kürzerster Zeit bekommt. (siehe Link unten ). Ich Frage mich wann wir von den ersten Abmahnung lesen werden.
http://www.seo-news.de/100-000-besucher-in-7-tagen-pinterest-is-a-thing/5684/