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TikTok in einer Nussschale

Ich denke, wer auf diesen Artikel trifft, weiß in einem weiteren Sinne, was TikTok ist. Es ist eine App, die es Menschen ermöglicht, Kurzvideos zu erstellen. In der Regel geht es um Unterhaltung in alle Richtungen. TikTok ist inzwischen weit mehr als Lipsync.

Die Pandemie hat der Plattform einen Schub gegeben. TikTok selbst ist eine Social Media App, welche gestaltet wurde und befeuert wird von User Generated Content in Form von Kurzvideos. Wichtig dabei ist UGC und Kurzvideos.

TikTok ist kein soziales Netzwerk im klassischen Sinne. Ich denke, das ist der Grund, wieso einige Kommunikationsmenschen hier ins Schleudern kommen. Die Inszenierung der Inhalte auf einem herkömmlichen Wege findet auf TikTok selten eine Anwendung. Auf TikTok finden Künstler aller Art einen Startpunkt, es bildet Communitys und es hilft Menschen bzw. über die Communitys helfen sich Menschen gegenseitig. Menschen treffen quasi mit ihren Inhalten direkt aufeinander.

TikTok ist eine Unterhaltungsplattform. TikTok ist aber mehr als nur eine Plattform. TikTok hat einen kritischen Punkt allen anderen Plattformen voraus: Es puscht Sub- und Popkulturen. Was für jemanden, der Kultur als das riesige Ding im Marketing sieht (also mich, aber dazu an anderer Stelle demnächst mehr), eine spannende Entwicklung ist. TikTok hatte diese Ambition 2016 bereits ausgerufen. Die Plattform hatte sich zum Ziel gesetzt, die Nummer Eins für „culture driven entertainment“ zu werden.

Culture Driven: Für Gamer, wo das alte EA Sports Intro durch den Kakao gezogen wird

TikTok hat dieses Bestreben auf eine eindrucksvolle Weise verfolgt. Was für ein cleverer Zug, die „TikTok-Experience“ auf die anderen Plattformen zu bringen. Es gab vorher niemanden, der es so einfach machte, seine eigenen Inhalte oder die Inhalte von anderen, auf anderen Netzwerken mit den dort sich befindenden Funktionen zu teilen (also nativ). Neben dem reibungslosen Teilen, war das Tiktok-Logo sowie der Benutzername auf den Videos zu sehen. So wie man es heute kennt.

Man kann sogar Excel auf TikTok lernen

Der Algorithmus

Wer einmal auf die Plattform gezogen, wird es eventuell schwierig, ihr wieder zu entkommen (es ist möglich). TikTok hat ein unglaubliches Matching, was die Nutzersignale und die Ausspielung der Inhalte betrifft. Als Konsument der Inhalte ist das Gefühl groß im Mittelpunkt des Geschehens zu stehen. Die kleinsten Änderungen von Likes und Dislikes werden für die nachfolgenden Videos berücksichtigt.

Als Creator hat es sich ebenfalls schnell und simpel rumgesprochen, wie deine Inhalte sich quasi verteilen. Was in anderen Netzwerken mit Formeln skizziert wird, die in Social Signals, Postzeit, Frequenz und anderen Dingen beschrieben werden, wird auf TikTok einfach in der Erläuterung gehalten. Das Video wird an einen kleinen Kreis ausgespielt, gefällt es, wird der Kreis größer, quasi so lange bis das Interesse abnimmt. Die Darstellung ist zwar stark vereinfacht, macht aber das Prinzip klar.

Auf einmal können sogar deutsche Lehrer:innen cool sein (und auf Kommentare mit einem Clip antworten)

User Experience

TikTok hat es geschafft, eine Art sicheren Ort zu schaffen. Sicher im Sinne davon, dass Menschen sich völlig ungeniert vor die Kamera stellen. In diesen Videos bringen sie sich zum Ausdruck, beim Tanzen, beim Singen, in Alltagssituationen oder zu Hause. Sie tanzen als würde niemand dabei zusehen und manchmal singen sie auch so. Es ist ein Füllhorn der ungeschönten, realen Welt. Dies ist mit Vorsicht zu genießen, denn TikTok benutzt einen automatischen Beautyfilter, um das Erlebnis in die Höhe zu treiben.

Was auffällig ist, dass die Kommentare überwiegend positiv sind. Natürlich gibt auf TikTok auch Hatespeech und das sicher nicht zu knapp. Gleichzeitig werden Menschen ermutigt, dranzubleiben, weiterzumachen. Das kann man der Plattform momentan nicht absprechen und das, macht am Ende dann mehr Spaß Zeit dort zu verbringen.

Getanzt wird natürlich auch 😉

Next Level Video

Ein weiterer Punkt für den Erfolg sind die Videobearbeitungsmöglichkeiten. Filter gab es schon vorher auf Instagram. Dort hat die Entwicklung irgendwann nachgelassen. Mit einer externen App (Capcut), kann ich Videos aufnehmen, Clips setzen und schneiden und mit automatischer Musik synchronisieren. Ich kann als Laie, das Video- und Bildmaterial mit einfachen Mitteln auf einen Beat timen. Eine Funktion, die auf Instagram vor wenigen Wochen erst Einzug erhalten hat.

Justin Danger Nunley stitcht Videos, um dann mit einem willkürlichen Fakt zu enden. „It cannot always be night“ aus dem Song Praise God von Kayne West wird dank TikTok erneute Berühmtheit erlangt haben.

Die Leute/Creator können untereinander agieren. Ich kann mit einem Video ins Duett gehen. Ich kann die Videos vollständig im Duett ablaufen lassen und vielleicht gemeinsam ein Lied oder Situationskomik entsteht. Ich erinnere nur daran, dass Ryan Gosling der attraktivste Mann ist und Männer auf der Suche nach Atlantis sind. TikTok ist auch ein großer Ort für Schwachsinn. Die Liste der Kuriositäten dürfte hier wirklich lang sein.

@dr.kojosarfo

#stitch with @juststay4anotherday I’ll sit with youl! ❤️🙏 #keepgoing

♬ Repeat Until Death – Novo Amor
Ihr Freund hat den Freitod gewählt, ein fremder TikToker setzt sich virtuell an den Tisch, um ihr Mut zu machen.

#TikTokMadeMeBuyIt

Tiktok hat eine solche Dynamik angenommen, dass es Menschen dazu bringt, in der realen Welt Dinge zu tun. Mich eingeschlossen. Ich habe Rezepte probiert, Haushaltstipps befolgt (mega!) und ich bin an Orte gereist, von denen ich vermutlich sonst nie gehört hätte.

Für Marken und Unternehmen ist es sicher interessant, dass TikTok das Kaufverhalten teilweise umgedreht. Während ich auf gewöhnlichen sozialen Netzwerken eine Werbung ausgespielt bekomme, bekomme ich auf TikTok einfach Dinge vorgeschlagen. Natürlich gibt auf TikTok auch Werbung, die daherkommt wie Werbung. Marken sind dabei gut beraten, ihr Produkt in Anwendungsszenarien zu präsentieren. Und das könnte eventuell nirgends besser funktionieren als dort. Es soll ja Accounts geben, die mit Excel sehr erfolgreich sind.

Niemand geht in eine App, um deine Werbung zu sehen. Das war schon bei Facebook so. Hört man aber nicht so gern als Marke/ Unternehmen.

Neue Währung für den Erfolg

Die Jagd nach mehr Followern hat auf TikTok ein Ende. Denn die Währung ist nicht Follower, sondern Likes. Und diese Werte können manchmal sehr, sehr weit auseinander liegen. In der Tat es so, dass ein Like, den oben beschrieben Algorithmus auch triggern kann und von diesem Account in der Folge Videos vorgeschlagen werden. So entstehen neue Verästelungen oder man lehnt eben dankend durch seine Reaktion ab.

TikTok unterscheidet sich von den klassischen Netzwerken, dass es nicht um die persönliche Vernetzung geht. Natürlich sammelt man auch Follower ein, wenn man gute Inhalte bereitstellt. Es ist aber nicht so persönlich, wie man es z.B. von Facebook gewohnt ist. Gleichzeitig ist die Wahl des Inhalts nutzerzentriert und als Unternehmen muss ich die Inszenierung meines Inhalts neu bzw. anders denken als ich es bisher gewohnt bin.

Es ist nicht alles Gold

Wie jede größere Plattform ist auch auf TikTok nicht alles Gold, was glänzt. Mir geht in diesem Text aber nicht um die moralische oder ethische Bewertung von Einzel- oder anderen Vorfällen. Ich möchte denjenigen, die bisher gar keinen mentalen Zugang zu der App hatten, einen Blickwinkel geben. Mehr nicht. Es sollte aber auch nicht unter den Tisch fallen, dass auch TikTok seine Probleme hat. Es gibt genug Hatespeech auf der Plattform, Berichte über Mobbing und andere Schwierigkeiten sind hier ähnlich an der Tagesordnung.

TikTok hat spektakulären Weg genommen. Es gibt Menschen die Möglichkeit kreativ zu sein, das mag ich tatsächlich an der Plattform. Khabane Lame kann im Prinzip auch nur Dinge korrekt präsentieren. Um die 124 Millionen Menschen finden das unterhaltsam…

Photo by Ioana Mohanu on Unsplash

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