Die Ausgangslage ist der Artikel, der in der Zeit auf ziemlich große Aufmerksamkeit gestoßen ist. Der Artikel „Ich Arbeiterkind“ ist wirklich gut geschrieben, ich kann ihn euch nur empfehlen.
Es geht mir nicht darum, die Opferrolle einzunehmen. Oder eine Gegenposition zu beziehen, weil ich es irgendwie geschafft hätte. Das habe ich nicht. Noch nicht. Vielleicht werde ich es auch nie schaffen. Das hängt davon ab, wie man dieses Ziel überhaupt für sich definiert. Ich gehe aber davon aus, dass noch einige Texte, wie der von Robert, im Netz erscheinen werden. Menschen, die sich gegen die Vorurteile / schlechteren Startchancen durchgesetzt haben. Vielleicht ist es nicht schlecht, um denen, die an der Schwelle stehen, die Kraft zu geben, um sich aufzubäumen: Gegen Freunde. Familie. Gegen das soziale Umfeld.
Grundlegende Fragen
Als Jugendlicher ist man mit grundlegenden Fragen beschäft: Wer bin ich und wenn ja wie viele? Wo gehört man hin, welchen Beruf möchte man ergreifen? Man wird nun einmal von äußeren Einflüssen gelenkt. Es ist nicht unbedingt von der Hand zu weisen, dass Geld und soziales Umfeld eine Rolle spielen – in vielerlei Hinsicht.
Imaginäre Barrieren
Ebenfalls in dem Artikel schreibt Maurer über „die“ und „uns“. Genau dort, erkenne ich mich wieder. Ich fand Schule nie besonders spannend und habe mich auf der Realschule häufig gelangweilt. Ich fühlte mich unterfordert, was nicht heißt, dass ich besonders helle im Kopf bin. Im Amtsdeutsch heißt das: „Kai lässt sich schnell ablenken.“ Ich dachte mir, mit den Dreien und Vieren im Zeugnis, werde ich versetzt. Ein Pferd springt nun einmal nicht höher als es muss. Und ja – dabei erwische ich mich heute noch manchmal, sehr zum Frust meiner Umwelt 😉
Aber das Gymnasium kam für mich nie infrage. Ich war auch schon so der Außenseiter – in der Schule, wie in der Freizeit. Meine Freunde waren nämlich alle auf der Hauptschule. Außer beim Sport, da kamen Sie vom Gymnasium. Eine verwirrte Mischung eines normalen Kleinstadtjungen.
Wie ich eingangs erwähnte, ich sehe mich nicht als Opfer. Aber ich wollte damals aus finanziellen Gründen nicht auf das Gymnasium. Ich wollte eben nicht mit „denen“ zusammen sein. Natürlich ist ein solches Bild voller Blödsinn, aber das sagt einem mit 14-16 niemand. Das ist nun mal so, ohne das ich jemanden dafür einen Vorwurf machen würde.
Und heute? Ich habe immer noch kein Abitur. Ich habe auch nicht studiert. Ich habe mal ein nicht anerkanntes Fernstudium (Webdesign haha) absolviert, während meiner Zeit bei der Bundeswehr. Dies Überschnitt sich mit der Abendschule, um Bürokaufmann zu werden. Eine Konstellation, die gern zu Irretation führt.
Abschließend
Ich wünsche mir, dass man die „Ressource“ Mensch in Unternehmen anders beleuchtet. Dass wir mehr dahin kommen, dass man daran gemessen wird, was jemand kann und nicht, welche Schule er besucht hat.
Ich denke, wir müssen uns von einigen Dingen in Deutschland lösen. Das Geld im (Grund-) Bildungssystem überhaupt eine Rolle spielt, finde ich diskussionswürdig. Ich finde es wichtig, dass wir diese Diskussion führen. Es würde das Bild verfälschen, wenn sich nun alle Arbeiterkinder (die es auf ihre völlig individuelle Weise geschafft haben) hinstellen und rufen: „Ist Quark, wir haben es schafft.“ Genauso falsch ist es, eine Fluppe zu ziehen und mit das „Mimimi“-Transparent hochzuhalten. Wichtig ist, dass über dieses Thema gesprochen wird. In all seinen Facetten.
Das Problem unseres Bildungssystems sitzt in unseren Köpfen.
Grundsätzlich richtig Kai, aber gute (Aus-)Bildung macht einiges einfacher. Ich war auch „Arbeiterkind“ und habe mich von unten hochgearbeitet. Mit guter Bildung wäre einiges einfacher gewesen. Danke für den Artikel..
Das eine gute Ausbildung einiges einfacher macht, steht außer Frage. Ich denke aber auch, dass man heutzutage sich Wissen wesentlich schneller aneignen kann als es auf dem akademischen Wege geht. Man denke da nur an das aufkommen von diesem Social Media vor Jahren.
Danke für deinen Kommentar. 🙂
Guter Kommentar zu einem großartigen Artikel.
Obwohl ich selbst kein Arbeiterkind bin (Mutter studierte soziala Arbeit, Vater Ingenieur), lassen sich unglaublich viele Parallelen ziehen. Hier zieht eben dein letzter Satz: Das Problem sitzt in den Köpfen.
Denn obwohl von Hause aus mehr Möglichkeiten vorgegeben / „erlaubt“ sind, so gibt es trotzdem oft Grenzen. Bei mir war diese die Selbständigkeit. Klar, der Vater war 30+ Jahre Beamter und dann kommt der Sohn und will sowas schwammiges machen. Unsicher. Nichts „Richtiges“.
Und das auch noch ohne Zettel, wo irgendwas drauf bescheinigt ist – nach dem Abitur und 3 Studienversuchen & 1 Ausbildungsversuch hab ich mich mit dem Bildungssystem nämlich auch gütlich getrennt.
Die Gitter des „So solltest du deine Zukunft gestalten“ gibt es eben auch auf dem Gymnasium/der Uni. Sie mögen glänzender sein, aber wirklich freie Entscheidungen treffen auch dort die wenigsten.
Mir haben diese Geschichten immer geholfen. Von Menschen, die sich erfolgreich durchgesetzt haben. Die Tipps, das „Ich bin nicht allein“ etc. Und das brauchen Jugendliche immer stärker. Denn – oh Überraschung – mehr Möglichkeiten machen das Entscheiden nicht einfacher. Doch statt ein Auszuprobieren und Finden zu fördern, wird immer mehr gegängelt…
Danke für deinen Kommentar, Karsten.
Ja, ich denke die Erwartungen der Eltern an den Nachwuchs sind ein entscheidender Punkt. Wenn auch der Wunsch variiert, möchte man häufig „etwas wie wir es kennen“. Vielleicht ist es einfach die Angst vor dem Unbekannten von dem man dann merkt, dass es gar nicht schlimm ist, wie man es sich vorgestellt hat.
Der Blick nach oben hilft – ohne Frage. Aber meist, wenn man einen gewissen Eigenantrieb mitbringt. Ich würde gern eben auch jene abholen, die irgendwann abgewunken haben, aber über „meeto“ vielleicht doch noch den Hintern hochbekommen.
Ausprobieren, finden und fördern. Prima Ansatz!
Danke für die Anwort, Kai 🙂
Natürlich ist es die Angst vor dem Unbekannten. Insbesondere zwischen unserer und der Generation unserer Eltern besteht ein großer Unterschied: Die Welt ist exponenziell fortgeschritten. So viel Veränderung kann ein Mensch ja gar nicht mitbekommen, der in seinem Leben „gefangen“ ist. Ich häng jeden Tag am Netz und manchmal hab ich das Gefühl, den Anschluss zu verlieren. Wie sollen da meine Eltern erkennen und verstehen, dass manch Althergebrachtes nicht mehr funktioniert oder – noch schlimmer – mich unglücklich macht?!
Ich stehe auch ganz hinter dir, was das Abholen angeht. Aber auch hier würde ich so früh wie möglich den Blick nach oben einführen. Im Zeit-Artikel gehen die Menschen ja auch „abholen“ und dann mit Geschichten motivieren. Mit eigenen, mit fremden. Eben die Realität zeigen, die ja gar nicht so schlimm ist, wie von den „Traum-Gegnern“ gern behauptet. Mit Fakten und Information gegen diese Vorverurteilung ankämpfen und Mut machen.
Falls du da einen konkreten Ansatz im Kopf hast oder so, sag Bescheid – einen Mitstreiter hast du auf jeden Fall 😉
lg
Karsten
Interessanter Beitrag.
Hab dazu selbst eine sehr spezielle und bestimmte Meinung.
Anfangen würde ich jedoch bei all den imkompetenten Lehrkräften, die verlangen, von 16 Jährigen zu wissen was sie mal machen wollen sowie der völlig sinnlosen „Arbeitsamt-Berufsberatung“ (ebenfalls mEn durchgängig Nichtskönner und sonstige Dummschwätzer)
Habe selbst mehrere Schulen (bzw. „Schulniveaus“) hinter mir und relativ spät mit einem Studium angefangen – warum: Weil mir keiner von den eben genannten eine Hilfe war sondern eher Steine-in-den-Weg-leger…