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Dysmorphophobie: Selfmade Bodyshaming ohne Fremdeinwirkung

Es gibt wichtige Themen, die bekommen zu wenig Aufmerksamkeit. Die machen keinen Spaß und sind schwer zu verdauen. Es kann eine Depression sein, die Tatsache in Therapie zu sein oder Dysmorphophobie. Letztere betrifft offenbar viele Menschen, wie ich heute in den Reaktionen auf meine Posts feststellen musste. Grund genug, um mich dem Thema zu widmen.

Dysmorphophobie ist sozusagen hausgemachtes Bodyshaming, wie ich auf Wikipedia las. Es wird häufig auch unter dem Begriff Bodyshaming benutzt, allerdings wird die Scham ohne Fremdeinwirkung erzeugt.

So viel zur Definition. Ich bin auf das Thema durch Schauspieler Jonah Hill geworden, der es in einem Instagram-Post eröffnete, dass er bis in den 30ern seinen Oberkörper nicht vor Freunden und Familie zeigte. Ich sah mich dort durchaus wieder, denn Dysmorphophobie kenne ich seit der Jugend. Wenngleich mir der Begriff nicht geläufig war, so musste ich heute feststellen: Es gibt viele.

Jonah Hills Post auf Instagram

Für mich hat das Thema ganze Thema in der Jugend begonnen, wo ich eher die Lauch-Statur pflegte. Bei meiner Körpergröße und genetischer Veranlagung ist es schwierig Armmuskulatur aufzubauen. Neben der Problemzone Arme, hatte ich ein hässliches Gesicht. Nase zu dick, Lippen zu voll, Kinn nicht spitz genug, Zahnstand nicht gut und durch den Hauttyp häufig Akne. Dieses Empfinden verlor irgendwann gänzlich, hatte sich allerdings durch andere Verhaltensweisen bemerkbar gemacht. Ich müsste etwa 10 Jahre nicht schwimmen gewesen sein, obwohl ich das Wasser mag. Einen freien Oberkörper im Sommer geht nur Zuhause und oder wenn ein gewisses Fitnesslevel erreicht ist – lange muss ich allerdings dennoch nicht haben. Es gibt noch andere Gegebenheiten, für dich ich ein Schamgefühl entwickelt habe.

Umso interessanter war es zu erfahren, dass ich damit wahrlich nicht allein bin. Eltern, die ihre Kinder mit Kosenamen versehen, die auf körperliche Defizite hinweisen. Die Brüste zu groß, die Beine zu kurz, die Hüfte zu breit. Ich weiß aus vielen Gesprächen, dass Dysmorphophobie bei Frauen verbreitet ist. Die Meldungen der Männer haben mich überrascht, wenngleich nicht verwundert.

Ich kenne die Symptome nicht, aber an mir fällt es mir auf, dass ich z.B. mein Körpergewicht oder die Figur häufig thematisiere. Ich bemerke an anderen Menschen ebenfalls, dass sie z.B. häufig auf ihre Defizite hinweisen. Vermutlich um eine Selbstbestätigung zu erlangen. Ich habe es erlebt, wie die Frau, in die ich mich gerade verliebt hatte, vor mir stand und mich fragte, wieso ich kein Fitnessgirl als Partnerin nehmen würde. Die Folgefrage, was ich denn mit ihr wollte, überraschte mich umso mehr. Unabhängig davon, dass ich sie bezaubernd fand, drückte sich so ihre riesige Unsicherheit mir gegenüber aus. Ich war zu dem Zeitpunkt in eine guten sportlichen Form, scheinbar hatte dies Einfluss. Bemerkenswert ist hier, dass wir uns auf einem hohen intellektuellen Level austauschen konnten und somit völlig klar war, dass Liebe mehr ist als jemanden äußerlich anziehend zu finden.

Ich schreibe das so auf, damit ihr besser hinhört. Damit ihr versteht, wie viele Menschen da draußen und solchen Kleinigkeiten manchmal Jahre oder gar Jahrzehnte leiden. Nicht permanent – aber immer wieder und wieder. Wenn ihr es auch nur einmal bemerkt oder demnächst einfach einen Spruch weniger lasst, der in Richtung Bodyshaming abzielt, ist alles erreicht.

Bodyshaming, Sizeism und Dysmorphophobie sind keine Tabuthemen und dennoch redet niemand darüber. Ich finde, dass darf sich ändern.

Photo by Cristian Newman on Unsplash

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