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Being a misfit: Ich wollte nur dazu gehören

Seinen Platz im Leben zu finden, gehört vermutlich zu den schwierigsten Dingen im Werdegang. Wir haben alle einen anderen Startpunkt und ein anderes Ziel, dessen Reise uns unbekannt ist. Wir werden von unserem Umfeld gelenkt und nur wenige sind bereit für sich selbst aufzustehen, um die nötige Veränderung herbeizuführen.

Ich habe kürzlich ein Interview mit David Goggins gesehen, welches mir als Inspiration für diesen Text dient. Im Rich Roll Podcast spricht Goggins über die folgende Perspektive:

the hardest thing in the world for me at a young age was my god I swore to fit in. I want to fit in I want you to like me so that’s a horrible fucking place to be. In life because you lose yourself when you want to fit in with people so badly… normal fucking people. Not better than you. You do whatever you can to fit in. That’s a bad place to be you lose yourself and trying to create a character that other people will accept.

David Goggins

Mehr müsste man über mein Leben vermutlich nicht sagen. Mein Traum vom Leben war es mittelmäßig zu sein. Ich wollte einen mittelmässigen Job, ein mittelmässiges – vielleicht etwas spießiges Leben und nicht mehr negativ wie positiv auffallen. Das sind große Wünsche während einer Periode im Leben, die aus Hass, Kriminalität und Problemen dominiert wurde. Es ist zwar lange her, dennoch ich teile Menschen in zwei Kategorien: Die, die mich seit dieser Periode kennen und jene, die noch nie davon etwas gehört haben.

Ich habe dann irgendwann diesen Charakter erschaffen, den ich aber nie vollenden konnte. Ich bin häufig angeeckt, war unangepasst und passte nicht in die Lücke. Ich habe es Jahrzehnte versucht und bin daran zerschellt. Es hat mich gebrochen, dass ich nicht in einem Teil der Gesellschaft einfach verschwinden kann und meinem mittelmässig zufriedenstellenden Job nachgehe, über den ich mich dann die nächsten 25 Jahre beschweren werde – ohne etwas zu ändern.

Ich kann David Goggins nur zustimmen. Der Wunsch einfach dazuzugehören, ist ein verdammt beschissener Ort, an dem man sich mental begeben kann. Irgendwann füllte ich den Charakter ganz gut aus, dass ich mich mit all dem zufriedengab. Ich verdiente etwa 30.000 Euro im Jahr, fuhr ein altes Auto und eierte in meinem Leben zwischen Dispo und Disco. Die Beziehungen in meinem Umfeld waren schwierig, denn irgendwie war es meist ein Kompromiss. Das ist, was einem geraten wird: Du musst Kompromisse eingehen. BULLSHIT. Das ist ein beschissener Rat für ein so wichtiges Thema. Ich kann bei der Essensbestellung einen Kompromiss eingehen, aber nicht bei meinen innersten Werten. Fuck off Kompromisse. Nimm dein Wandtattoo „Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum“ und verzieh dich aus meinem Leben, denn du tust alles, aber gewiss nicht, was auf dem Wandtattoo geschrieben steht.

Ich wollte nur dazu gehören. Dabei hatte ich zu dem Zeitpunkt schon ein ungewöhnliches Leben geführt. Ich hatte in meiner Bundeswehrzeit, eine zweite Ausbildung (Bürokaufmann) an der Abendschule absolviert und ein nicht anerkanntes Fernstudium (mehr so‘n Lernkurs bei der SGD) gleichzeitig gewidmet. Das ist heute unwichtig, aber ein Sinnbild für mich, dass ich offenbar nicht in der Masse verschwinde. Es sind Muster, die man für sich erkennen sollte. Sie wiederholen sich über die Jahre immer wieder.

Casey Neistat hat es in Do what you can‘t auf den Punkt gebracht. Menschen um einen herum, können einen hinunterziehen ohne das sie es merken. Du kannst doch nicht einfach auswandern. Doch, das geht sogar in einer Pandemie. Du kannst doch nicht darüber schreiben, dass du in einer Therapie bist. Doch, denn ich weiß, dass es Menschen lesen, die eine gute Reputation haben und gleichzeitig ihre Frau schlagen, koksen als gäbe es kein Morgen mehr oder andere fragwürdige Lebensweisen hinter der Fassade führen. Ich bin mir heute dessen bewusst und manchmal denke ich mir: Was ist, wenn ich der Normalste hier bin (Was auch immer normal bedeutet)?

Das letzte Mal als ich in der Öffentlichkeit stand, habe ich dieses Reinpassen weg getrunken. Ich habe etwa 2-4 Flaschen Alkohol die Woche gebraucht, um dieses Konstrukt von hunderttausenden Besuchern, einem guten Job, einer glücklichen Beziehung aufrecht zu erhalten. Wer jemals in der Situation war und den Text von »Sido – Melatonin« kennt, wird sich erschrecken, wie genau dieser Text ist. Zum Glück war dies nur etwa ein Jahr, in dem ich gleichzeitig den shiny Social Media Influencer Lifestyle frönte. Witzig, oder? Wie sehr Fassade und Realität auseinanderliegen können.

Die Kunst bei all dem, ist es, sich selbst treu zu bleiben. Wow. Sich selbst treu bleiben. Welch große Worte, denen durch die Inflation ihrer Benutzung ein geringer Wert zugeschrieben wird. Wie schnell ist es im Alltag gesagt, dass man sich selbst treu bleiben soll. Von Freunden, Familie, Bekannten. Wie oft macht man das? Ich meine wirklich. Wirklich, wirklich. Ich denke, es ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit, wo an jeder Ecke eine neue Verlockung auf sich wartet. Das größere, bessere, schönere oder mit mehr Ansehen verbundene Irgendwas (Job, Partner, Auto, Urlaub). Dabei haben wir das Gute, wenn nicht sogar das Beste häufig bereits vor unserer Nase. Und wenn es uns stört, können wir es abstellen / daran arbeiten oder es verändern. Du kannst den Job wechseln, Du kannst in eine andere Stadt ziehen. Du kannst Deinen Eltern sagen, dass sie mit Ihrer Weltanschauung Dir den Buckel herunterrutschen können. Hast denn den Mut, Dir selbst treu zu bleiben?

Das Leben ist nicht perfekt. Du bist nicht perfekt. Deine Frau/Freund/in/Mann ist nicht perfekt. Es wird nie perfekt sein. Es ist eine Illusion. Glaubenssätze, die uns in den Kindertagen auferlegt werden. Jungs bekommen erklärt, wie man mit Frauen umzugehen hat. Und Mädchen? Wer hat euch erklärt, wie man mit Jungs umgeht? Wieso sollte ich als Mann nicht auch weinen dürfen? Ich habe ebenfalls mentalen Stress und benötige manchmal einen sicheren Ort, an dem ich mich zurückziehen kann. Einen Ort, wo mir jemand durchs Haar streichelt, meine Stirn küsst und sagt: Ich bin da, alles wird gut. Es heißt Geborgenheit und umfasst Sicherheit, Wohlgefühl, Vertrauen, Zufriedenheit, Akzeptanz und Liebe durch andere. Übrigens: Geborgenheit ist eines meiner Lieblingsgefühle. Wer nicht, wirst du jetzt vielleicht denken. Ok, wann hast du dich das letzte Mal geborgen gefühlt?

Weißt du, jemand zu sein, der irgendwie nicht so richtig ins Raster passt, ist nichts verwerfliches. Es ist etwas wundervolles, was wir (du und ich) uns bewahren sollten. Ich habe meinen Frieden damit gefunden. Es ärgert mich selten, inzwischen bin ich eher stolz darauf. Meine Art zu sein, hilft anderen Menschen auf ihrem Weg. Ist das nicht wundervoll?

Dieser Text ist jenen gewidmet, die sich darin wiederfinden und gleichzeitig ihre eigene Stimme noch nicht gefunden haben.
Jene, die auf der Reise sind, sich von ihrem Charakter zu entfernen.
Jene, die ein Licht benötigen, dass sie anleitet.
Jene, die nun denken: Ich bin nicht allein.
Jene, die ein unbeschreibliches Gefühl der Erleichterung durchfährt.

Ihr seid nicht allein.
Von uns gibt es viele.

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